Die Landeshauptstadt Hannover will in den kommenden zehn Jahren eine halbe Milliarde Euro zusätzlich in Schlüsselbereiche für eine zukunftssichere Stadtentwicklung investieren. „Hannover wächst kontinuierlich. Wir brauchen deshalb deutlich mehr Geld für dringend notwendige Investitionen“, begründen Oberbürgermeister Stefan Schostok und Stadtkämmerer Dr. Marc Hansmann den Vorstoß. Finanziert werden sollen insbesondere überfällige Sanierungen und der Neubau von Schulen, aber auch weitere Kitas, der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur oder der Städte- und Wohnungsbau.
„Wir schlagen zur Zukunftssicherung unserer wachsenden Stadt vor, in den kommenden Jahren die Investitionen um 50 Prozent zu erhöhen und dafür auch zusätzliche Schulden zu machen“, erläutert Schostok. „Das muss gekoppelt sein an einen verbindlichen Tilgungsplan. Wir wollen auch die aktuelle Niedrigzinsphase nutzen“, betont Hansmann.
In einem am Donnerstag (23.7.) veröffentlichten Investitionsmemorandum „Für mehr städtische Investitionen“ werden die Grundlagen und Ziele einer veränderten Investitionsstrategie für Hannover erläutert. Das 28-seitige Memorandum wird der Kommunalaufsicht des Landes Niedersachsen zur Prüfung vorgelegt. Es ist nach der Sommerpause die Basis für die Beratungen mit den Fraktionen im Rat der Landeshauptstadt über die 10-Jahres-Planung.
Investitionsstau abbauen – Anforderungen durch wachsende Stadt
Die Stadtspitze reagiert damit auf den trotz erheblicher Investitionen weiterhin hohen Bedarf an Sanierungen und Modernisierungen insbesondere bei Schulen. Hinzu kommen die zusätzlichen Anforderungen durch die wieder kontinuierlich steigende Bevölkerungszahl oder durch aktuelle Aufgaben wie die Unterbringung von Flüchtlingen. Im Investitionsmemorandum hat Stadtkämmerer Hansmann zusammen mit den Dezernaten für Hannover einen Investitionsbedarf in den kommenden zehn Jahren von 2,0 Milliarden Euro ermittelt. „Darin sind keine Prestigeprojekte enthalten, sondern ausschließlich zwingend notwendige Dinge“, betont er. Mit der bisherigen Haushaltsplanung, die ohne Neuverschuldung auskommt und jährlich rund 100 Millionen Euro für Investitionen vorsieht, ließe sich nur die Hälfte finanzieren. Zu wenig, um dringend benötigte Schulen, Kitas, Straßen oder Wohnungen zu sanieren oder zu bauen.
„Es geht um den Erhalt und die Erweiterung der Infrastruktur einer wachsenden Stadt, insbesondere im Bildungsbereich. Dazu sind wir im Interesse unserer eigenen Zukunft verpflichtet. Aktuell sind kurzfristig notwendige Sanierungen oft nur möglich, wenn wir längerfristig geplante Vorhaben verschieben. Damit dieser Investitionsstau nicht immer größer wird, handeln wir jetzt“, sagt OB Schostok. Hannover werde keineswegs zur Verschuldungspolitik der 1970er Jahre zurückkehren, betonen OB und Kämmerer: „Wir werden mit der Kommunalaufsicht des Landes und dem Rat der Stadt beraten, wie wir zu einem verlässlichen Tilgungsplan kommen, damit die zusätzlichen Schulden zukünftige Generationen nicht belasten.“
Größter Bedarf bei Schulen und Kitas
Der größte Bedarf für die kommenden zehn Jahre besteht mit 740 Millionen Euro – und damit einem Drittel aller Investitionen – bei den Schulen. Die Gründe: steigende Kinderzahlen, Ausbau der Ganztagsschulen, Rückkehr zum Abitur nach 13 Schuljahren. Trotz erheblicher Investitionen (zwischen 2007 und 2013 allein 320 Mio. Euro) stehen weitere Sanierungen bei den Schulen an. Zugleich sind nach der Kraftanstrengung zur Schaffung von 2.000 Krippen- und 400 Kindergartenplätzen jetzt zusätzliche Grundschulen nötig. Da in Hannover auch die Zahl der Neugeburten erfreulicherweise steigt, sind ebenso weitere Kitas erforderlich.
Zweitgrößter Investitionsblock ist der Straßenbau (270 Millionen Euro). Zwischen jeweils 80 und 130 Millionen Euro liegt der Investitionsbedarf bei Feuerwehr, Liegenschaften, Informationstechnik, Kultur und der Verwaltung selbst. Auch wachsende Anforderungen durch die Inklusion (barrierefreie Teilhabe), die Digitalisierung oder auch neue Anforderungen beim Brandschutz machen Investitionen nötig.
Schwieriges Erbe Verschuldung
Hannover war Anfang der 1980er Jahre die Stadt in Deutschland mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Der Großteil der langfristigen Schulden von gut 1,5 Milliarden Euro stammt aus den 1970er Jahren, als in U-Bahn, Gesamtschulen, Freizeitheime, Bäder, Sportstätten und Museen und vieles mehr investiert wurde. Damals wurde – wie in vielen Kommunen – wenig an die Folgekosten gedacht und teilweise unwirtschaftlich gebaut. Seit den 1990er Jahren verfolgt Hannover das Ziel, ohne neue Schulden auszukommen, gestützt durch mittlerweile neun aufeinander folgende Haushaltssicherungskonzepte mit einem Gesamtvolumen von 685 Millionen Euro.
Diese Sparpolitik war allerdings nur um den Preis möglich, dass auch die Investitionen erheblich zurückgefahren wurden, nicht zuletzt aufgrund der Sparauflagen der Kommunalaufsicht. Von den Folgen dieser Entwicklung sind viele Kommunen betroffen, wie Dr. Busso Grabow vom Difu-Institut im Rahmen des Stadtdialogs „Mein Hannover 2030“ bestätigte. Er bezifferte den bundesweiten Investitionsstau der Kommunen auf 118 Milliarden Euro.
Finanzierungsmöglichkeiten für mehr Investitionen
Hannover hat bereits vor vier Jahren in einem bundesweit beachteten Steuermemorandum auf die kontinuierliche Verschlechterung der Kommunalfinanzen hingewiesen. Der Grund: Verringerung der Einnahmen sowie zusätzliche gesetzliche Aufgaben ohne Maßnahmen zur Gegenfinanzierung. Mittlerweile sind Bund und Land mit einer Reihe von finanziellen Leistungen erste Schritte auf die Kommunen zugegangen. Die notwendige grundlegende Gemeindefinanzreform oder ein Investitionsförderprogramm des Bundes für Kommunen sind vorerst nicht absehbar.
„Deshalb sollte den Kommunen zur Finanzierung zwingend wichtiger Investitionen eine vorübergehende Finanzierung über neue Schulden ermöglicht werden“, fordert Hannovers Stadtspitze. Für die Landeshauptstadt sei dies verkraftbar: Hannover ist nicht überschuldet und verfügt an den Finanzmärkten über eine gute Bonität.
Investieren und konsolidieren
Das hannoversche Investitionsmemorandum schlägt zur Finanzierung der zusätzlichen Investitionen zwei Wege vor. Neubauten ließen sich gut über Public Private Partnership-Projekte (PPP) der Stadt zusammen mit privaten Investoren auf den Weg bringen. Hannover knüpft solche PPP-Vorhaben an Bedingungen: Eigentum und Betrieb der Gebäude bleiben in städtischer Hand. Für Sanierungen schlägt das Memorandum zusätzliche Kredite vor.
„Die Steigerung der städtischen Schulden um mindestens 500 Millionen Euro klingt im Zeichen der Schuldenbremse, die übrigens nicht für Kommunen gilt, wie aus der Zeit gefallen“, sagt Stadtkämmerer Hansmann. Jährlich zusätzliche 50 Millionen Euro Investitionen für Pflichtaufgaben über Schulden zu finanzieren, sei aber gerade in einer Niedrigzinsphase an den Kapitalmärkten sehr wohl mit der Strategie einer nachhaltigen Finanzpolitik vereinbar. OB Schostok: „Die Schulden müssen ordentlich getilgt werden. Einnahmen und Ausgaben gehören unverändert auf den Prüfstand. Hannover wird weiter konsolidieren, um zu investieren.“