Minden. Erneuter Aufruf an Eigentümer*innen – Knapp 1200 Asylsuchende konnten bislang in 350 Wohnungen untergebracht werden.
Familie Nuri teilt ein Schicksal mit vielen Hundertausenden, die aus ihrem Heimatland vor Krieg, Verfolgung, drohendem Tod oder Not fliehen mussten und nun in der Bundesrepublik Deutschland wohnen. Vater Shir und Mutter Muzghan wohnen mit ihren beiden kleinen Töchtern seit 15 Monaten in Minden – in einer von der Stadt angemieteten Wohnung. Sie sind aus Afghanistan geflüchtet und warten nach ihrem Interview beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Bielefeld auf die Bewilligung ihres Asylantrages. „Sie sind zuversichtlich, dass sie in Kürze ein Bleiberecht erhalten“, berichtet Sewin Aro, bei der Stadt Minden Koordinatorin fürs Ehrenamt. Sie hat Familie Nuri besucht, die sich in ihrem Stadtbezirk Bärenkämpen gut integriert hat und sich wohl fühlt. Vater Shir Nuri spreche schon gut Deutsch und komme regelmäßig auch ins Stadtteilbüro, so Aro.
Rund 1400 Flüchtlinge sind 2015 und 2016 in Minden angekommen. Diese hat die Stadt von der Bezirksregierung Arnsberg, die landesweit zuständig für die Verteilung der Geflüchteten an die Kommunen ist, Minden zugewiesen bekommen. Nahezu alle konnten in Wohnungen untergebracht werden. „Ich danke allen Eigentümern, die uns ihre Wohnungen zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt haben. Das ist vorbildlich und eine wirklich gute Situation, in der wir uns bis jetzt befanden“, fasst Bürgermeister Michael Jäcke zusammen. Denn zusätzlich zu den zugewiesenen Familien, Paaren und Einzelpersonen sind noch mehrere hundert Menschen, die bereits ihre Anerkennung als Asylbewerber erhalten haben, in den vergangenen zwei Jahren nach Minden gezogen, weil es hier günstigen und freien Wohnraum gab und/oder weil Familienangehörige bereits hier lebten. So ist von Juli 2014 bis Oktober 2016 die Zahl der syrischen Staatsangehörigen in Minden von 603 auf 1.829 gestiegen.
Auf dem bis Mitte 2015 entspannten Wohnungsmarkt ist es deutlich enger geworden. Das bekommt auch die Stadt Minden zu spüren, die im vergangenen und in diesem Jahr rund 350 Wohnungen von privaten Eigentümern, Investoren und Wohnungsgesellschaften beziehungsweise -genossenschaften angemietet hat. Hierin konnten bislang knapp 1200 Flüchtlinge untergebracht werden. 300 von ihnen haben ein Bleiberecht und müssten daher eigentlich aus den von der Stadt angemieteten Wohnungen ausziehen, wie bald vermutlich auch Familie Nuri, wenn sie einen positiven Bescheid bekommt.
„Aber es gestaltet sich für diese Menschen zunehmend schwieriger, eine freie Wohnung auf dem Markt zu finden“, weiß der Erste Beigeordnete Peter Kienzle, der auch für die Unterbringung von Flüchtlingen verantwortlich ist. „Sie dürfen selbstverständlich solange bleiben, bis sich eine neue Lösung ergeben hat.“ Die seit dem 1. Dezember 2016 geltende Wohnsitzauflage für Geflüchtete mache die Sache nicht einfacher, eher schwieriger. „Es ist davon auszugehen, dass der Großteil der Geflüchteten in den kommenden drei Jahren auch hier bleibt“, so Kienzle. Es gebe daher insgesamt wenig Fluktuation.
Angesichts der angespannten Situation in mehreren Großstädten Nordrhein-Westfalens, wo immer noch tausende, auch bereits anerkannte Geflüchtete wenig menschenwürdig in Gemeinschaftsunterkünften, Sporthallen und Schulen wohnen, ist die Lage in Minden „vergleichbar gut“. Aber es wird knapper. Noch fünf Wohnungen mit rund 20 Plätzen hat die Stadt Minden aktuell für die Unterbringung neu zugewiesener Flüchtlinge im Bestand. 40 Menschen werden in diesem Jahr noch erwartet. Familien bekommen die Wohnungen, Einzelpersonen müssen vorerst in den Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. „Dann ist aber Schicht im Schacht“, macht Achim Hermening, Leiter des Bereiches Soziales, deutlich. Derzeit gehe er davon aus, dass im kommenden Jahr ähnlich viele Flüchtlinge wie 2016, also mindestens 400 nach Minden zugewiesen werden. Und dafür werden weitere Wohnungen gebraucht.
Aus diesem Grund startet die Stadt nun über die Medien, aber auch über eine geplante Verteilaktion an alle Haushalte einen erneuten Aufruf an alle Eigentümer*innen, freie Wohnungen, Appartements und auch Gewerbeflächen, die sich leicht in Wohnraum umwandeln lassen, zu melden. Gesucht und gebraucht werden vor allem Appartements und kleinere Wohnungen für drei- bis vierköpfige Familien und zwei bis vier Einzelpersonen als Wohngemeinschaft, aber auch größere Einheiten bis zu 120 Quadratmeter.
Die angebotenen Wohnungen werden von der Stadt Minden angemietet. Meldet sich ein Eigentümer, wird zunächst ein Termin vereinbart, die Mietkonditionen und weitere Einzelheiten besprochen. Wenn die Konditionen stimmen, wird ein Mietvertrag aufgesetzt, den der Erste Beigeordnete Peter Kienzle unterzeichnet. Nach der Übergabe der Wohnung beginnen städtische Mitarbeiter/innen aus dem Team von Hartmut Kuhlmann mit der Einrichtung. „Küchenzeilen, Betten, Matratzen, Waschmaschinen und Geschirr wurden und werden en gros beschafft und zwischengelagert“, berichtet Bereichsleiter Achim Hermening.
Jede/r, der eine freie Wohnung oder auch ein Haus mit mehreren Einheiten hat, kann sich an Tobias Dreier, Telefon 0571 89-404, E-Mail: t.dreier@minden.de wenden. „Für die Vermieter gibt es kein Risiko ausbleibender Zahlungen von Miete und Nebenkosten, wenn die Stadt Minden die Wohnungen anmietet“, so Bereichsleiter Hermening. Auch wenn Schäden entstanden sind, tritt die Stadt Minden als Mieterin dafür ein, ebenso bei Auszügen. Auch hier gelte das normale Mietrecht, dass die Wohnung wieder so herzurichten ist, wie sie übernommen wurde.
Die Stadt Minden verfolgt auch weiter den Grundsatz, der sich an die Empfehlungen des Flüchtlingsrates Nordrhein-Westfalen anlehnt, Asylbewerber/innen möglichst nur in Wohnungen unterzubringen. „Das bedeutet auch in der Zukunft eine große Herausforderung für alle Städte und Gemeinden, die die Hauptaufgabe bei der Aufnahme und Integration der Flüchtlinge zu leisten haben“, fasst Bürgermeister Michael Jäcke zusammen. Auch wenn der Zustrom über die so genannte Balkanroute nahezu gestoppt sei, kommen weiter Flüchtlinge – vor allem über das Mittelmeer – nach Europa. „Die Aufgabe und die Herausforderung bleibt für alle bestehen“, so Jäcke abschließend.