Uran aus Russland ist Treibstoff für europäische AKW

Uran aus Russland ist Treibstoff für europäische AKW
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Atomkraft schafft keine Energieunabhängigkeit.

Berlin. Anlässlich des 36. Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl warnen Umweltverbände und Stiftungen vor der großen Abhängigkeit von der weltweit vernetzten Uran-Industrie. Deutschland und Europa sind nicht nur von fossilen Energieimporten abhängig, sondern auch von Uran, wie aus der Neuauflage des Uranatlas hervorgeht. Der vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam mit der Nuclear Free Future Foundation, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Umweltstiftung Greenpeace und .ausgestrahlt herausgegebene Atlas zeigt: Etwa 40 Prozent der europäischen Uranimporte stammen aus Russland und Kasachstan. Das betrifft auch die noch laufenden deutschen AKW.

Ungeachtet dessen fordern Unionspolitiker*innen wie etwa Bayerns Ministerpräsident Söder Laufzeitverlängerungen. „Markus Söder führt eine groteske Scheindebatte“, erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Seine Rufe nach Atomkraft sind angesichts der nuklearen Bedrohungen durch AKW im Kriegsgebiet und Putins Atombomben-Drohungen ein politisches und moralisches Armutszeugnis. Das gilt erst recht angesichts der Abhängigkeit Europas von russischem und kasachischem Uran. Auch die noch bis zum Jahresende laufenden deutschen AKW werden zum großen Teil damit betrieben.“

Der russische Staatskonzern Rosatom hat im internationalen Urangeschäft eine Spitzenposition. „Über seine Beteiligungen an Uranminen in Kanada, den USA und vor allem Kasachstan ist Rosatom der zweitgrößte Uranproduzent der Welt. Mit 7122 Tonnen hat das Unternehmen einen Anteil von rund 15 Prozent an der globalen Förderung“, erläutert Angela Wolff, Referentin Atom- und Energiepolitik beim BUND. „Bei der Herstellung von angereichertem Uran, das für den Betrieb von Atomkraftwerken benötigt wird, ist die Abhängigkeit noch größer: Über ein Drittel des weltweiten Bedarfs kommt vom russischen Staatskonzern.“

Noch stärker ist (Ost-)Europa auf russische Brennelemente angewiesen: 18 Reaktoren in der EU können nur mit sechseckigen russischen Brennelementen betrieben werden: in Finnland, Tschechien, Ungarn, der Slowakei und in Bulgarien. „Um die beiden slowakischen Atomkraftwerke mit neuen Brennelementen versorgen zu können, durfte am 1. März sogar eine russische Il-76-Transportmaschine mit Sondergenehmigung landen“, kritisiert Uwe Witt, Referent Klimaschutz und Strukturwandel bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. „Wenn Europa die Anhängigkeit von Russland im Energiebereich wirklich beenden will, muss es auch im Atombereich seine Zusammenarbeit mit Russland schnellstmöglich einstellen.“

Rosatom hingegen setzt auf Expansion: Neben drei AKW in Russland sollen 35 weitere in Ägypten, Bangladesch, Belarus, Bulgarien, China, Finnland, Indien, im Iran, in der Türkei, Ungarn und in den Vereinigten Arabischen Emiraten gebaut werden. Die große Abhängigkeit Europas von Russland bei Uran und Brennelementen für Atomkraftwerke bringt auch die EU-Kommission in Zugzwang, unterstreicht Armin Simon von der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt. „Die EU-Kommission hat noch vor wenigen Wochen die Aufnahme von Atomkraft und fossilem Gas in die EU-Taxonomie maßgeblich mit Versorgungssicherheitsaspekten begründet. Diese Begründung hat sich für alle sichtbar als falsch herausgestellt. Anders als behauptet, trägt Atomkraft gerade nicht zur Versorgungssicherheit bei. Jetzt nur einen Importstopp für atomare Brennstoffe aus Russland zu verhängen, wie es das EU-Parlament bereits gefordert hat, greift zu kurz. Atomkraft und fossiles Gas haben in der EU-Taxonomie nichts verloren. Die EU-Kommission muss ihre Position hierzu revidieren. Ansonsten muss das EU-Parlament die Notbremse ziehen.“

Mit Blick auf die Klimakrise fügt Horst Hamm, geschäftsführender Vorstand der NFFF und Projektleiter der Uranatlanten-Reihe, an: „Atomenergie ist nicht der Energieträger der Zukunft. Jenseits von gravierenden Umweltsünden beim Uran-Abbau oder der Gefahren beim Betrieb, zeigt die zweite Auflage des Uranatlas: Atomkraft trägt nichts zur Lösung der Klimakrise bei. Der Bau neuer Atomkraftwerke ist zu teuer und viel zu langsam, um zukünftig etwas für den Klimaschutz bewirken zu können.“ Nicht einmal bestehende Kernkraftwerke sind im Vergleich zu erneuerbaren Energien noch konkurrenzfähig, wie das Beispiel USA im Uranatlas zeigt: Sechs US-Reaktoren wurden vorzeitig stillgelegt, weitere sollen folgen.

„Die erneuerbaren Energien sind inzwischen preisgünstiger als Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerke, auch wenn man deren Folgekosten nicht mitrechnet“, sagt Heinz Smital, Atom-Campaigner von Greenpeace. „Selbst alte und abgeschriebene Anlagen können oft nicht mehr mithalten.“ Der neue Uranatlas liefert dazu die aktuellen Daten und Fakten: eine Kilowattstunde Sonnenstrom lässt sich mit neuen Kraftwerken in Süddeutschland für rund drei Cent erzeugen, mit Windrädern in Norddeutschland für knapp unter vier Cent. Und wenn man sonnenreiche Länder betrachtet, wird es noch günstiger: Im ölreichen Saudi-Arabien ist ein 600 Megawatt-Solar-Projekt ans Netz gegangen, das die Kilowattstunde für 1,04 US-Cent generiert. Weltrekord!

Weitere Informationen:

Der aktualisierte Uranatlas 2022 erklärt auf mehr als 50 Seiten mit eindrucksvollen Grafiken den Weg des Urans. Neue Kapitel zu Frankreich, Tschechien, Kanada und den USA beleuchten die Gefahren des Uranbergbaus. Mit dem Atlas zeigen die fünf Herausgeber*innen, warum Uran im Boden bleiben muss.

Den Uranatlas finden Sie unter: www.bund.net/uranatlas, www.nuclear-free.com/uranatlas, www.rosalux.de/uranatlas oder unter www.ausgestrahlt.de/uranatlas

Bestelladresse Uranatlas: bestellung@rosalux.de, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Straße der Pariser Kommune 8A, D-10243 Berlin

Faktenblatt „Russische Uran-Importe“ finden Sie unter: www.bund.net/factsheet-uranatlas