Umfrage zur Mobilität: Fast zwei Drittel wollen Alternativen zum Auto

Mobilitätswende
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Berlin. Für fast zwei Drittel der Menschen in Deutschland engagiert sich die Bundesregierung zu wenig beim Ausbau von Mobilitätsangeboten. Das geht aus einer Civey-Umfrage im Auftrag des NABU hervor. 62 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr politische Anstrengungen beim Ausbau alternativer Mobilitätsangebote. Nur knapp 24 Prozent sehen keine Notwendigkeit dafür.

NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: „Unsere Umfrage bestätigt, die Menschen wünschen sich Alternativen zum Auto. Vor allem in ländlichen Räumen werden sie von der Politik allein gelassen. Dabei sollte gerade der Verkehrssektor mit seinen hohen Treibhausgasemissionen dringend reformiert werden. Jetzt heißt es, Bremse lösen! Die Mobilität der Zukunft ist erschwinglich, klimafreundlich, erreichbar und zuverlässig.”

Bei Befragten aus ländlichen Räumen bestätigen knapp 60 Prozent den Wunsch nach mehr politischem Handlungswillen. Mit Blick auf eine attraktive, umweltschonende Mobilität in ländlichen Räumen hat der NABU deshalb zwölf Bausteine formuliert, an denen Politik und Kommunen sich orientieren können:

1. Attraktive Fußwege schaffen

Sichere und beleuchtete Fußwege mit ausreichend Sitzgelegenheiten erhöhen die Aufenthaltsqualität in Kleinstädten und Dörfern. Gut ausgebaute, barrierefreie Wege sorgen dafür, dass alle Nutzer*innengruppen an Haltestellen und andere Orte der Daseinsvorsorge wie Geschäfte, medizinische Einrichtungen und Poststellen kommen.

2. Naturverträglichen Ausbau von Mobilitätsnetzen ermöglichen

Wege sind für Zu-Fuß-Gehende und Radfahrende vor allem dann attraktiv, wenn sie lärm-, gefahrenfrei und zusammenhängend sowie landschaftlich ansprechend verlaufen. Wichtig ist, dass ihre Streckenführung im Einklang mit den Ansprüchen des Natur- und Artenschutzes gewählt wird. Umwidmung von Straßenraum ist gegenüber dem Neubau immer zu bevorzugen. Zur Konfliktvermeidung bei Trassenverläufen ist eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung von Naturschützer*innen dringend empfohlen.

3. Pedelecs und (E-)Lastenräder fördern

Damit Pedelec, (E-)Lastenräder und Fahrräder attraktive Verkehrsmittel für möglichst viele Menschen auf dem Land werden, sind eine durchgängige, ebene und baulich vom Fuß- und Autoverkehr getrennte Radinfrastruktur sowie sichere Abstellmöglichkeiten unablässig. Um den Umstieg zu forcieren, ist es wichtig, diese Alternativen der Alltagsmobilität kommunal finanziell sowie strukturell zu fördern und mit zeitgemäßer Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen.

4. Verbrenner- durch E-Autos ersetzen

Zum Gelingen der Verkehrswende braucht es in ländlichen Räumen als Übergangslösung eine Antriebswende. Dafür braucht es eine gut ausgebaute Ladeinfrastruktur mit grünem Ladestrom, insbesondere für das Laden am Arbeitsplatz, aber auch in Privathaushalten. Mittelfristig muss auch in ländlichen Räumen die Zahl der Fahrzeuge erheblich reduziert werden.

5. Durch Homeoffice und digitale Arbeitsformen Pendelwege verringern

Homeoffice und gebündelte Co-Working-Spaces in ländlichen Räumen vermeiden Verkehre und müssen zum Standard werden. Die nötige technische Infrastruktur muss dafür in den kommenden Jahren ausgebaut werden (Digitalisierungsschub).

6. Gemeinsames Autofahren und -teilen erleichtern

Solidarische und kommerzielle Carsharing- und Ridepooling-Angebote animieren zum Spritsparen und bündeln Wege zur Arbeit oder anderen Zielen. Finanzielle Anreize für Kommunen und örtliche Betriebe unterstützen solche Angebote.

7. Mobilitätsstationen sozial und technisch aufwerten

Mobilitätsstationen mit Aufenthaltsbereichen und W-LAN-Anschluss sollen als Knotenpunkte zwischen Umweltverbund und motorisiertem Individualverkehr (MIV) dienen. Dafür braucht es neben ausreichend Park-and-ride-Flächen für den MIV und Abstellanlagen für Fahrräder an öffentlichen Haltestellen auch Zugang zu Leihfahrzeugen. Wenn Cafés, Arztpraxen oder Supermärkte dazu kommen, kann die Funktionalität und die Aufenthaltsqualität erheblich gesteigert werden. Mobilitätsstationen können so zu Orten des sozialen Miteinanders werden.

8. Entscheidungsspielräume für Kommunen stärken

Kommunen brauchen mehr Entscheidungsfreiheit. Das betrifft unter anderem die Regelungen der Straßenverkehrsverordnung, beziehungsweise das Straßenverkehrsgesetz. Denn Gemeinden wissen selbst am besten, wo sie beispielsweise Tempo-30-Zonen einrichten oder Parkraumbewirtschaftung betreiben sollen. Zu dieser Freiheit gehört auch finanzielle Unterstützung für klima- und naturfreundliche Verkehrsprojekte aus Bundes- und Landesmitteln.

9. Zersiedelung und Flächenverbrauch stoppen

Boden und Fläche sind wertvolle und endliche Güter. Durch Bautätigkeiten hervorgerufene Zersiedelung verbraucht zu viel davon und verstärkt die Abhängigkeit vom MIV in ländlichen Räumen seit Jahrzehnten. Deshalb braucht es eine integrierte Raumplanung, die auf nachhaltige, flächensparende Siedlungsentwicklung und Aktivierung im Bestand setzt, bei der ein Bahn- oder Buslinienanschluss genauso von Anfang an mitgedacht werden muss, wie die Integration von Orten des täglichen Bedarfs wie Kitas, Lebensmittelgrundversorgung, Begegnungsstätten, Seniorentagespflege. Damit wird weitere Zersiedelung und Flächeninanspruchnahme minimiert und die Lebensqualität in ländlichen Regionen wieder erhöht.

10. Gute Praxis muss Schule machen

Neue Mobilitätsangebote und -formen jenseits des MIV müssen nicht nur attraktiv sein, sondern eine Vielzahl an unterschiedlichen Nutzungsgruppen erreichen. Dazu müssen sie positiv begleitet und kommuniziert werden (Werbung). Um den Kulturwandel beim Mobilitätsverhalten erfolgreich zu gestalten, braucht es einen Wissenstransfer zwischen Akteur*innen aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis, damit gute Beispiele weitergegeben werden und Anwendung finden.

11. Eine Mobilitätsgarantie für den öffentlichen Verkehr einführen

Als Teil der Grundversorgung muss der ÖPNV mit einem verlässlichen Angebot von 5 bis 24 Uhr gewährleistet werden und damit eine Voraussetzung für den Umstieg auf Bus und Bahn schaffen. Dafür braucht es mindestens einen Stundentakt zu Hauptverkehrszeiten und einen Halbstundentakt in die nächstgrößere Ortschaft, der in Neben-/Schwachverkehrszeiten durch On-Demand Angebote flexibel ergänzt wird.

12. Mobilitätswende sozial gerecht für alle gestalten

Verkehrspolitik hat immer auch soziale Effekte, gerade in ländlichen Regionen. Häufig entstehen die Probleme (u.a. Mobilitätsarmut, Erschwinglichkeit, Erreichbarkeit und Belastung durch Folgen des Verkehrs) dort, wo der öffentliche Verkehr kaum stattfindet und das eigene Auto die einzige praktikable Alternative ist. Alle Menschen in ländlichen Räumen sollen unabhängig von finanziellem und sozialem Hintergrund, Behinderung, Mobilitätseinschränkung, Alter oder Geschlecht ohne eigenes Auto mobil sein können. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben muss beispielsweise durch ein 30-Euro-Ticket (Monat)/365-Euro-Ticket (Jahr) von jung bis alt für den Regionalverkehr in ganz Deutschland gewährleistet werden.

Die vollständige Broschüre, ein Plakat und die Umfrageergebnisse können unter https://www.nabu.de/laendliche-mobilitaet heruntergeladen werden.