Minden (lwl). Wer sollte und konnte in Preußen jüdisch sein? Durch welche Grundlagen und Rahmenbedingungen war jüdisches Leben im preußischen Staat geprägt? Und muss „preußisch“ und „jüdisch“ eigentlich als Gegensatz gedacht werden? Diesen Fragen widmet sich ab Freitag (12.11.) eine neue Sonderausstellung im LWL-Preußenmuseum in Minden unter dem Titel „Jüdisch? Preußisch? Oder was?“ über Beziehungen und Verflechtungen im 18. und 19. Jahrhundert (bis 11.9.2022).
Die Ausstellung mit rund 50 Exponaten und interaktiven Elementen ist ein Beitrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) zum bundesweiten Festjahr „#2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland“. „Damit trägt die Ausstellung dazu bei, Geschichte, kulturelles Erbe und das heutige Leben von Jüdinnen und Juden in Westfalen-Lippe sichtbar und erlebbar zu machen“, so Matthias Löb, LWL-Direktor und Vorstandsvorsitzender der LWL-Kulturstiftung, die die Ausstellung als eines von 24 Projekten ihres diesjährigen Förderschwerpunktes unterstützt. „Nicht „die Preußen“ und „die Juden“ als zwei Gruppen, sondern gerade die Beziehung der beiden, also ihre Verflechtungsgeschichte will die Ausstellung in den Mittelpunkt stellen.“
„Die Ausstellung schaut zwar zurück. Dabei stellt sie aber Fragen nach Zugehörigkeiten und Nicht-Zugehörigkeiten von sozialen Gruppen zu einer Gesellschaft, nach Herkunft, Diversität und Identität, aber auch nach Grenzen und Ausgrenzungsmechanismen. Fragen also, die auch heute hochgeradig relevant sind und in den aktuellen gesellschaftlichen Diskurs führen“, sagte Löb.
Mit der Ausstellung öffnet das LWL-Preußenmuseum nach langer Schließung zum ersten Mal wieder seine Türen für Besucherinnen und Besucher. „Dass wir das direkt mit einem Beitrag zu dieser wichtigen Initiative tun können, freut uns außerordentlich“, sagte Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Preußen in Westfalen und LWL-Kulturdezernentin. „Denn es rückt die Rolle und die Verdienste der Jüdinnen und Juden für die deutsche Gesellschaft sowie Fragen nach unserem Zusammenleben ins öffentliche Bewusstsein. Das gibt uns auch die Möglichkeit, ein erstes Ausrufezeichen zu setzen für das, was wir mit dem Preußenmuseum anstreben: Historische Themen mit hohem sozialpolitischem Gegenwartsbezug zu erzählen und Geschichtsvermittlung neu zu denken, immer wieder relevante Fragen aufzuwerfen und Position zu beziehen.“
„Die Ausstellung konzentriert sich vor allem auf das 19. Jahrhundert, als es den in Preußen an-sässigen Jüdinnen und Juden zum ersten Mal ermöglicht wurde, auf Antrag preußische Staatsbürger zu werden – ein zentraler Schritt zu rechtlicher Gleichstellung“, erläuterte Dr. Sylvia Necker, Leiterin des LWL-Preußenmuseums. Wie sich dies auf das Leben auswirkte, wie ihr Alltag in diesem Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit gestaltete, welche Strukturen sich daraus entwickelten und bis heute Einfluss haben, das mache die Ausstellung deutlich. Dabei werde die Geschichte nicht in Gegensatzpaaren – ‚die Preußen‘ einerseites, ‚die Juden‘ andererseits – erzählt, sondern die engen Verflechtungen stünden im Mittelpunkt.
Bis zum 11. September 2022 wird die Ausstellung im LWL-Preußenmuseum in Minden zu sehen sein. Begleitet wird sie durch einen Blog (jp-pmm.lwl.org), der fortlaufend wächst. Er liefert Hintergrundinformationen und Einblicke hinter die Kulissen des Ausstellungmachens. Necker: „Außerdem ist hier die digitale Besucherführung abrufbar, so dass ein Ausstellungsbesuch auch vom heimischen Sofa aus möglich ist.“
Neben dem Blog (jp-pmm.lwl.org) erscheint zur Ausstellung ein Begleitheft (7 Euro, ISBN 978-3-949784-01-9) und 2022 ein Essayheft.