Berlin. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtwirtschaft (AbL) haben Union und SPD vorgeworfen, die bisherige und aus Sicht der Verbände falsche Agrarpolitik fortsetzen zu wollen. Die künftigen Koalitionäre verweigerten sich den notwendigen Reformen in der deutschen und europäischen Agrarpolitik und ignorierten die Aufgaben des Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzes in der Landwirtschaft, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
„Der schwarz-rote Koalitionsvertrag enthält lediglich Lippenbekenntnisse zu einer nachhaltigen Ausrichtung der Landwirtschaft. Es fehlt der politische Wille, die Chancen der EU-Agrarreform zur Neuverteilung der Agrarsubventionen zu nutzen, es fehlt eine Minimierungsstrategie für den Einsatz giftiger Pestizide und es fehlt eine klare Ablehnung des Einsatzes der Gentechnik in der Landwirtschaft. Eine akzeptable Agrarpolitik für die nächsten vier Jahre muss mehr beinhalten als die vagen Ankündigungen im Koalitionsvertrag“, so der BUND-Vorsitzende.
„Deutschland muss Schluss damit machen, dass die größten Agrarbetriebe das meiste Geld bekommen, und stattdessen jene gezielt unterstützen, die zum Erhalt der Kulturlandschaften, der Umwelt und für den Tierschutz das Meiste leisten“, sagte die AbL-Vorsitzende Maria Heubuch. Sie forderte die kommende Bundesregierung auf, die neuen Möglichkeiten der EU-Agrarreform zur Stärkung bäuerlicher Betriebe voll auszuschöpfen. Heubuch warf den künftigen Koalitionspartnern vor, jedoch in die andere Richtung zu gehen. Zusagen zur finanziellen Aufstockung etwa bei Agrarumweltmaßnahmen würden im Koalitionsvertrag aufgekündigt. Bund und Länder müssten daher umgehend die erforderlichen Schritte zur Umschichtung der vorhandenen Mittel neu vereinbaren. „CDU, SPD und CSU haben in ihrem Koalitionsvertrag die bäuerliche Landwirtschaft zum Ziel ihrer Agrarpolitik erklärt. Wenn sie das ernst meinen, müssen sie die Verteilung der Agrargelder grundlegend ändern“, sagte Heubuch.
Der BUND-Vorsitzende Weiger forderte den künftigen Bundeslandwirtschaftminister auf, auf EU-Ebene dafür zu sorgen, dass Pestizide nicht auf Flächen zum Einsatz kämen, die dem Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten dienten. „Pestizide haben auf ökologischen Vorrangflächen nichts verloren“, sagte Weiger. „In Brüssel versuchen die Unterhändler aus dem Bundesagrarministerium aktuell leider das Gegenteil durchzusetzen“, kritisierte Weiger. Wenn die Bundesregierung verhindere, dass nicht einmal auf fünf Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Europa der Arten- und Naturschutz Vorrang habe, mache sie sich mitschuldig am Artensterben.
Die AbL und der BUND forderten Bundestag, Bundesrat und Bundesländer auf, der „mängelbehafteten Agrar-Agenda von Schwarz-Rot“ eigene politische Impulse entgegenzusetzen. Dazu gehöre auch die Einführung moderner Standards in der Tierhaltung. Statt der im Koalitionsvertrag angekündigten nebulösen „Tierwohl-Offensive“ seien konkrete Verbesserungen zur artgerechteren Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere erforderlich. Nur so werde es möglich, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung entscheidend zu verringern.
Die Verbände kritisierten außerdem die aus ihrer Sicht enttäuschenden Passagen im Koalitionsvertrag zur Gentechnik. Die künftigen Koalitionäre hätten zwar verbal die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik anerkannt. Gefolgt sei daraus aber nichts. Stattdessen habe die CDU erfolgreich die Pläne von SPD und CSU torpediert, der Zulassung und dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland einen Riegel vorzuschieben. Damit gebe es für Landwirte und Imker weiterhin keinen Schutz vor Verunreinigungen ihrer Produkte mit gentechnisch veränderten Organismen. Auf wackligen Füßen stehe auch das Vorhaben der Koalitionäre, sich für eine EU-weite Kennzeichnungspflicht tierischer Erzeugnisse einzusetzen, bei deren Produktion gentechnisch veränderte Pflanzen verfüttert wurden. Dazu seien Änderungen der EU-Gesetzgebung erforderlich, für die eine künftige Bundesregierung in Brüssel eine entsprechende Mehrheit organisieren müsste. Dies sei von den künftigen Koalitionären leider nicht geplant.