Minden. Mit den Nachrichten des Tages beginnt in diesem Sommer um 10 Uhr der Tag für die 103 Ferienspiel-Kinder im Kinder- und Jugendkreativzentrum Anne Frank. Zunächst ist der Ton viel zu leise, die Zuschauer können nichts verstehen. Die Fernbedienung muss her. Dann kommt die Meldung, dass ein Bienennest am Rand des Geländes gesichtet wurde und alle Abstand halten sollen – bis der Imker kommt. Die zweite Nachricht: eines der drei Hühner im Garten hat ein Ei gelegt. Begeisterter Applaus bei den jungen Zuschauern folgt. Dann gibt es noch Informationen zum heutigen Tagesausflug und zum Programm für den Vormittag.
Als „Fernseher“ dient ein großes, ausgeschnittenes Stoff-Transparent. Der Sprecher ist Lennard Ferling – einer von 85 ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern des Freizeitmitarbeiterclubs (FMC), die seit 40 Jahren die Ferienspiele in Minden begleiten. „Ohne sie wäre das in der Form gar nicht möglich“, macht Daniela Thoring, Koordinatorin für die Jugendarbeit der Stadt Minden, deutlich. Das könnten die Hauptamtlichen in den fünf Jugendhäusern gar nicht allein leisten.
Die jungen Betreuer*innen haben alle eine Jugendleiter-Ausbildung mit mindestens 40 Unterrichtsstunden absolviert. „Die Hälfte kommt aus den eigenen Reihen. Es sind also ehemalige Ferienspiel-Kinder“, weiß Frank Blietz, Leiter des Anne Frank – wie das Jugendhaus kurz genannt wird. 25 Prozent seien Freunde oder Geschwister der ehemaligen Ferienspielkinder und die übrigen 25 Prozent interessierten sich für dieses Ehrenamt. Pro Jahr werden 40 neue Jugendliche und junge Erwachsene ausgebildet. Der große Teil ist auch bei den diesjährigen Ferienspielen, die am 16. Juli gestartet sind, im Einsatz. Knapp 500 Kinder werden aktuell an fünf Standorten – Anne Frank, Alte Schmiede, Jugendhaus Geschwister Scholl, Westside und Kurt Tucholsky Gesamtschule (KTG) – betreut.
In den Jugendhäusern und der KTG (hier Angebot der Juxbude) wird jeden Tag von 10 bis 17 Uhr gespielt, gebastelt, getobt, gechillt und auch musiziert. Mittags wird gemeinsam gegessen. Die Programm-Auswahl ist groß und reicht an diesem Tag von Tischkicker und Tischtennis über Toben auf dem Gelände oder auch einfach Relaxen im Ruheraum, Basteln mit Bügelperlen, Kronkorken und Wolle sowie Backen. „Jedes Kind kann frei entscheiden, wozu es Lust hat“, nennt Daniela Thoring ein Prinzip der Ferienspiele. Ein weiteres ist: Neugierig machen auf Themen und Erlebnisse, die es sonst so im Alltag nicht gibt.
Die Ferienspiele im „Anne Frank“ stehen aktuell unter dem Motto „Natur und Umweltschutz“. „Das birgt sehr viel Potenzial, um Neues kennenzulernen, Einiges zu Entdecken und auch Bekanntes zu vertiefen“, erläutert Karsten Geier, der in diesem Sommer verantwortlich für die Ferienspiele im Jugendhaus an der Salierstraße ist. Die sechs- bis zwölfjährigen Kinder hätten unglaublich großes Interesse an dem Thema. So wird allgemein viel über Müllvermeidung und Müll gelernt. Wer produziert ihn, wie sieht er aus, wo kommt er hin und was wird verwertet? Es wird zum Beispiel nicht nur Abfall sauber getrennt, sondern auch täglich der bei den Ferienspielen im „Anne Frank“ angefallene Müll gesichtet, dokumentiert und in eine Skala eingetragen.
„Wir trinken Wasser, Milch und Saft aus Mehrwegflaschen“, berichtet Geier weiter. Die Lunchpakete für die Ausflüge sind nicht mehr in Plastiktüten verpackt. Dafür gibt es selbstgeschmierte Butterbrote, viel Obst und Gemüse – verstaut in selbstmitgebrachten Brotdosen. Gebrauchte Plastikbecher, Toilettenpapierrollen und Kronkorken wurden zum Basteln gesammelt. Daraus zum Beispiel entstanden am Dienstag zum Beispiel schöne Blumen aus Metall. Passend zum Motto gab es an diesem Tag einen Ausflug zum Entsorgungszentrum „Pohlsche Heide“. Das Klärwerk in Leteln steht ebenfalls noch auf dem Programm.
Aber auch die Natur kommt nicht zu kurz. So tummeln sich drei Hühner in einem Gehege draußen, wurde ein Imker und die Verbraucherzentrale eingeladen, gibt es Ausflüge zum Bauernhof und einen Waldspaziergang mit einem erfahrenen, älteren Herren. „Alles sehr spannend“, findet nicht nur Karsten Geier. Die Mädchen und Jungen lernen auch sparsam mit Trinkwasser umzugehen. „Gerade Alltagssituationen sind gute Gelegenheiten, Kindern aktiv Verantwortung zu übertragen, ergänzt der Sozialarbeiter. Gleichzeitig gehe es beim Umgang mit wertvollen Ressourcen darum, Werte zu vermitteln und umweltfreundliches Verhalten bewusst zu machen. Dass das zudem viel Spaß macht, ist nicht zu übersehen.
Zu den Ferienspielen gehöre auch Verlässlichkeit – für die Kinder und die Eltern. Diese nehmen mit steigender Tendenz die Frühbetreuung in Anspruch, berichtet Daniela Thoring. Allein im Kinder- und Jugendkreativzentrum Anne Frank sind es rund 60 Kinder, die bereits um 7.30 Uhr ins Jugendhaus kommen können. Dafür müssen 25 Euro extra bezahlt werden – für zwei Wochen. Zu jedem elftägigen Ferienspielangebot gehört auch eine dreitägige Übernachtungsfahrt.
Und für das alles – elf Tage eine verlässliche Betreuung über sieben Stunden, ein tolles Programm, Ausflüge, viel Spaß, Sport, jeden Tag ein Mittagessen und eben die Übernachtungsfahrt – zahlen Eltern 80 Euro, ermäßigt 50 Euro. „Das deckt auf keinen Fall unsere Kosten“, sagt Daniela Thoring. Pro Kind müssten – ohne Hauptamtliche – eigentlich um die 180 bis 200 Euro berechnet werden. Aber weil die Ferienspiele in Minden Tradition haben, so beliebt sind und vor allem, weil alle Kinder die Möglichkeit haben sollen, daran teilzunehmen, bleibe es bei dem geförderten Eltern-Beitrag, so Thoring.
Zu den Ferienspielen in den ersten und letzten beiden Wochen gibt es noch jede Menge andere städtische und weitere Angebote im Sommer. So findet nicht nur die traditionelle Zirkuswoche statt, sondern es laufen auch drei Ferienangebote in Kooperationen mit der Schulsozialarbeit (Stadt-Land-Fluss), der evangelischen Jugend (Aktionwoche auf dem Gelände des SV 1860 Minden) und der Stadtbibliothek („Komm mit an Bord“). „Auch hier können die teilnehmenden Kinder ihren Horizont erweitern sowie durch verschiedene Angebote und Ausflüge neue Freunde , die Stadt Minden und das Umland kennenlernen“, streicht Daniela Thoring heraus. Mitmachen lohne sich auf jeden Fall.
Bei den Ferienspielen in den letzten beiden Wochen (13. bis 24. August) gibt es noch einige freie Plätze im Kinder- und Jugendkreativzentrum und noch ca. 20 Plätze im Jugendhaus Geschwister Scholl für die Sechs- bis Zwölfjährigen. Wer 13 bis 18 Jahre ist, kann sich noch bei der Aktionwoche anmelden. Interessierte können sich im Bereich Jugendarbeit/Jugendschutz bei Deborah Kreimeier, Telefon 0571 89726 oder E-Mail d.kreimeier@minden.de, melden.
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