Minden. Alle zwei Jahre sind Bürger*innen in der gesamten Bundesrepublik aufgerufen, sich am Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) zu beteiligen. Die Ergebnisse wurden jetzt veröffentlicht. Für Minden gab es die Gesamtnote 4,02 (2020: 3,8). Damit liegt die Weserstadt in der Ortsgrößenklasse 50.000 bis 100.000 Einwohner*innen bundesweit auf Rang 52 von 113 „im guten Mittelfeld“. Testsieger ist in dieser Klasse erneut Nordhorn (2,76) vor Bocholt (3,09) und Tübingen (3,12). In Nordrhein-Westfalen belegt Minden den 17. Platz (2020:13) von 46 Kommunen.
377 Bewertungen wurden im Zeitraum zwischen Anfang September und Ende November 2022 für Minden abgegeben. 2020 waren es noch 426. „Sicher haben wir uns zumindest eine leicht bessere Bewertung als 2020 gewünscht – eben, weil wir so viele weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Fahrradinfrastruktur in den Jahren 2021 und 2022 umgesetzt haben“, fasst Lars Bursian, Beigeordneter für Städtebau und Feuerschutz, zusammen. Auch die verkehrsrechtlichen Gegebenheiten für Radfahrende zu verbessern, stehe „ganz oben auf dem Zettel“. Sehr viel sei dazu in den vergangenen Jahren passiert.
In die Bewertungszeit fiel die kontrovers geführte Diskussion um die Aufhebung der Fahrradstraße am Bundeswehrgelände (Weseraue), die die Stadtverwaltung nicht empfohlen habe, politisch aber so mehrheitlich beschlossen wurde. Zahlreiche Radfahrende kritisierten im Fahrradklimatest die Aufhebung der Fahrradstraße, die ein Teilstück des Weserradweges ist. Das habe vermutlich auch Punkte gekostet.
„Unabhängig von der abschließenden Benotung ist der Fahrradklimatest für uns eine wichtige und nützliche Basis, um Hinweise für Verbesserungen aufzugreifen. Insgesamt sehen wir uns bei den abgegebenen Kommentaren bestätigt, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind und viele Dinge bereits angegangen werden oder geplant sind“, interpretiert der Leiter des Bereiches Verkehr, Gunnar Kelb, das Ergebnis.
Kritisiert wurde beispielsweise mehrfach der gefährliche Engpass in der Bahnunterführung Viktoriastraße. Mit der baulichen Umsetzung für die sogenannte „Übergangslösung“ werde es an diesem Nadelöhr aber noch in diesem Jahr deutliche Verbesserungen für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen geben. Hier wird unter anderem ein Fahrstreifen eingezogen und als abgesicherter Radfahrstreifen markiert, berichtet Kelb.
In der Stärken-Schwächen-Analyse punktete Minden mit der Führung an Baustellen, in der guten Erreichbarkeit des Stadtzentrums und im „zügigen Radfahren“. Gute Noten gab es auch für das Radfahren durch Alt und Jung, die Reinigung der Radwege, für die Wegweisung und in der Kategorie „Spaß oder Stress“. Besser als 2020 wurden auch viele geöffnete Einbahnstraßen in Gegenrichtung (+0,3), das Sicherheitsgefühl (+0,2) und die Fahrradförderung in letzter Zeit (+0,2) bewertet. Verbesserungswürdig ist nach Ansicht der Teilnehmer*innen die durchschnittliche Breite der Radwege im Stadtgebiet (Note 4,9) und die Mitnahme von Fahrrädern im ÖPNV (4,9). Bemängelt wurde bereits 2020, dass es kein Angebot für öffentliche Leih-Fahrräder (5,0) gibt und dass die Zahl der Fahrraddiebstähle relativ hoch ist (4,7).
„Letzterem sind wir bereits mit der Aufstellung von 60 zusätzlichem Fahrradbügeln begegnet, die ein diebstahlsicheres Anschließen ermöglichen“, berichtet die Radverkehrsbeauftragte der Stadt, Sandra Neuhaus. Zusätzlich 50.000 Euro (regulär 10.000 Euro) standen dafür im Haushalt 2022 de Städtischen Betriebe Minden (SBM) zur Verfügung. Die Bügel wurden allerdings erst nach Ablauf der Bewertungsfrist ab Dezember 2022 aufgestellt. „Minden trägt den Titel einer ,fahrradfreundlichen Stadt‘ – im Gegensatz zu unseren Nachbarkommunen. Hier wurden möglicherweise auch strengere Maßstäbe bei den Bewertungen angesetzt“, vermutet Neuhaus.
Sie verweist darauf, dass die Teilnehmer*innen meist sehr viel mit dem Rad unterwegs sind. 63 Prozent nutzen laut ADFC das Fahrrad (fast) täglich, 91 Prozent mindestens einmal die Woche. Mehr als 90 Prozent verfügen ganz oder teilweise über ein Auto, kennen ihre Orte also aus beiden Perspektiven. Die Bewertung ist also „eher streng“ zu sehen, so Sandra Neuhaus. Das erklärt, warum nur der Klassen-Sieger Nordhorn (50.000 bis 100.000 Einwohner*innen) eine Zwei vor dem Komma hat. Das Mittelfeld, in dem sich Minden bewege, liege sehr „dicht beieinander“, was die Benotung angehe. So gebe es hier zwischen Platz 27 (3,8 – Vornote Mindens) und Platz 64 (4,10) 37 Städte.
Die Verbesserung der Fahrradverkehrs in Minden ist Teil des Mobilitätskonzeptes für Minden, welches 2016 aufgestellt wurde. Dieses bildet die Arbeitsgrundlage für die Verkehrsplanung der Stadt Minden bis zum Jahr 2031. Bereits im Jahr 2010 hatte die Stadt ein Radverkehrskonzept aufgestellt. „Fahrradfreundlichkeit und die Förderung des Radverkehrs haben eine hohe Bedeutung in Minden. Die Umstellung auf klimafreundlichere Mobilität hat Zukunft und das findet bei vielen Planungen Beachtung“, streicht Bursian heraus. Die Stadt habe die Förderung des Radverkehrs und die Steigerung des Radverkehrsanteiles am Gesamtverkehrsaufkommen als besonderes Ziel gesetzt.
Umgesetzte Maßnahmen in Minden und Fördermittel
Seit 2010 ist viel passiert und jedes Jahr gibt es neue Verbesserungen. So wurden im Stadtgebiet zahlreiche farblich markierte Schutzstreifen – auch auf Verkehrsknotenpunkten – eingerichtet. Das soll die Verkehrssicherheit der Radfahrer*innen erhöhen und dem motorisierten Verkehr verdeutlich, dass Radfahrende hier als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer am Verkehrsgeschehen teilnehmen. Auch gibt es an vielen großen Kreuzungen extra Ampeln für Radfahrer*innen, die früher grün zeigen als für den Kfz-Verkehr.
Zudem wird kontinuierlich an der Verbesserung von Geh- und Radwegen gearbeitet. Pro Jahr geben die SBM seit dem Jahr 2015 jährlich mehr als 2 Millionen Euro allein für die Reparatur, Unterhaltung und Verbesserung von Geh- und Radwegen aus. 2020 betrugen die Ausgaben rund 2,7 Millionen Euro und 2021 rund 2,4 Millionen Euro. Für 2022 liegt noch keine endgültige Berechnung vor.
Auch ist an den Baustellen erkennbar, dass die SBM bereits seit Jahren einen Unterhaltungsschwerpunkt bei den Radverkehrsanlagen und Gehwegen haben. Derzeit wird entlang der Stiftsallee der Rad-/Gehweg auf längeren Abschnitten neu mit Verbundpflaster hergestellt. Aktuelle Baumaßnahmen an Straßen/Kreuzungen werden genutzt, um grundsätzlich die Bedingungen für Radfahrer und Fußgänger – hier vor allem Barrierefreiheit – zu verbessern.
„Es werden aktuell auch Bushaltestellen barrierefrei umgebaut. Bei jeder Maßnahme werden dort auch neue Fahrradabstellplätze (Bügel) geschaffen“, berichtet Kelb. Zudem werde die Stadt Minden einen neuen Erlass des Landes NRW nutzen, der vorsieht, dass wieder Fahrrad-Piktogramme auf Straßen aufgebracht werden können, wenn diese gemischt genutzt werden. Das durfte eine Zeitlang nicht mehr angeordnet werden. Die Straßenverkehrsordnung (Bund) wurde dahingehend noch nicht geändert.
Unser Ziel ist weiter, eine klimafreundliche Mobilität und eine Verkehrswende hin zum umweltfreundlichem Verkehr zu erreichen. Die Stadt Minden nutzt ganz intensiv auch vom Bund und Land aufgelegte Förderprogramme, so aktuell auch zur Verbesserung der Abstellmöglichkeiten an Bahnhöfen, wo sie sich jetzt an einem Interessenbekundungsverfahren beteiligt hat.
Weitere Informationen zum ADFC-Fahrradklimatest
Beim ADFC-Fahrradklimatest 2022 gab es immer mehr Orte unter 100.000 Einwohner*innen, die die Mindestteilnahmezahl (50) erreichten. Sie haben sich seit 2012 verdreifacht. Bei den 27 Fragen ging es darum, ob man sich auf dem Rad sicher fühlt, wie gut die Radwege sind und ob die Stadt das Fahrradfahren besonders fördert. Es konnten auch Kommentare/gezielte Kritik zu bestimmten Mängeln und Gefahrenpunkten abgegeben werden.
Bundesweit ist die Zahl der Teilnehmenden deutlich gestiegen. Bei der 10. Ausgabe des ADFC-Fahrradklima-Tests haben rund 245.000 Radfahrende teilgenommen. Das sind 15.000 mehr als 2020 – und so viele wie nie zuvor. Sie haben 1.114 Städte und Gemeinden bewertet. Auch das sei, so der ADFC, ein neuer Rekord (2020: 1.024; 2018: 683, 2016: 539).
Bundesweit waren Bürgerinnen und Bürger vom 1. September bis 30. November 2020 aufgerufen, sich an der Online-Umfrage des ADFC für den Fahrradklimatest zu beteiligen. Hiermit wird unter anderem ermittelt, wie fahrradfreundlich eine Stadt/Gemeinde ist. Der Fahrradklima-Test fand 2020 zum zehnten Mal statt – seit 2012 im Zwei-Jahres-Rhythmus. Möglich gemacht hat dieses erneut eine Förderung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI).
» Ergebnis des Fahrradklimatests 2022 für Minden
Alle Einzelheiten zum Fahrradklimatest gibt es auf der Internetseite https://fahrradklima-test.adfc.de/ergebnisse