Es gibt noch immer Barrieren in den Köpfen

Leben mit Behinderung
© Stadt Minden

Gemeinsamer Aktionstag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und von „Pulse of Europe“.
Minden. Ein sehr buntes und viel fotografiertes Bild gab es am vergangenen Samstag, als Teilnehmer*innen des „Aktionstags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen“ und des Europatages rund 15 regenbogenfarbene Schirme auf dem Markt aufspannten. Die Schirme gab es für alle Mindener*innen und Gäste, die beim Pezziballtrommeln mitgemacht haben.

Bei bestem Wetter konnte die stellvertretende Bürgermeisterin Renate Müller am 6. Mai zahlreiche Bürger*innen und Bürger auf dem Markt begrüßen. „Die Welt ist so bunt und vielfältig heute hier, so sollte es jeden Tag sein“, freute sich Müller. Der Aktionstag habe mittlerweile einen festen Platz im Mindener Veranstaltungskalender. Sie erinnerte an den nunmehr 78 Jahre andauernden Frieden in den Ländern der Europäischen Union (EU) – nicht aber in ganz Europa. Denn seit Ende Februar 2022 als Russland die Ukraine angegriffen hat, herrsche dort Krieg. „Die Waffen müssen schweigen. Krieg darf niemals ein Mittel der Politik sein“, forderte die stellvertretende Bürgermeisterin unter dem Applaus der Zuhörer*innen.

Das Motto des diesjährigen Aktionstages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen lautete: „Zukunft barrierefrei gestalten“. Das griff Esther König, Fachkraft für Behindertenbelange bei der Stadt Minden, in ihrem Grußwort auf. Immer noch gebe es viele Barrieren – nicht nur in Gebäuden, Häusern und im öffentlichen Raum – sie sprach hier gezielt die Martinitreppe an, für die Aufzug geplant wird, sondern es gebe immer auch noch „Barrieren in den Köpfen der Menschen“.

Teilhabe für Menschen mit Behinderungen müsse in allen Lebensbereichen möglich sein. „Lasst uns gegenseitig kennenlernen und gemeinsam leben“, wünschte sich König. Dem Publikum präsentierte sie zum Abschluss ihres Grußwortes ein selbstgebasteltes Plakat und einen großen Korb mit Keksen – für die Busfahrerinnen und Busfahrer im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), die sich oft sehr hilfsbereit zeigen, wenn es Probleme beim Einsteigen oder bei der Mitnahme von Rollatoren/Rollis gibt.

Festredner war der langjährige Europaabgeordnete (fast 40 Jahre im EU-Parlament) und Vizepräsident der Christlich Demokratischen Internationale, Elmar Brok aus Bielefeld. Er brach eine Lanze für die Europäische Union, die zunächst aus wirtschaftlichen Aspekten in den 1950er Jahren gegründet wurde. Das Bündnis, das jetzt aus 27 Staaten besteht, habe Europa vor Kriegen geschützt, Frieden und Menschenrechte in alle Ländern gebracht. Ohne die EU gäbe es keinen starken Wirtschaftsraum, der den USA oder China Konkurrenz machen könnte. „Jedes Land in Europa ist einzeln betrachtet aus Sicht der Vereinigten Staaten klein“, führte Brok vor Augen.

Nur durch ein geeintes Europa sei man in der Lage gewesen, die Dramen der Vergangenheit für beendet zu erklären, blickte er zurück in Jahrhunderte voller Kriege und Auseinandersetzungen. Großmachtdenken – wie jetzt in Russland und Angriffe auf andere Länder – waren noch vor 80 Jahren „normal“. Alle Mitglieder der EU profitierten heute voneinander. 65 Prozent der gehandelten Waren und Dienstleistungen gingen in den EU-Binnenmarkt. Polen habe beispielsweise sein Bruttosozialprodukt um das sechs- bis siebenfache vor 1990 steigern können, nannte Brok ein Beispiel für Wirtschaftskraft. Jeder und jedes Land solle seine Identität behalten. Diese Unterschiede seien der „gemeinsame Reichtum“, so Brok abschließend.

Im Anschluss sprachen noch die stellvertretende Landrätin Angelika Butler sowie von „Pulse of Europe Minden“ Jochen Klostermeyer und Hermann Beckebans. Nach den Reden ging es weiter mit den Aktionen. Neben dem Pezziballtrommeln, gab es auch einen Rolli-Parcours und verschiedene Infostände. Für Musik sorgten die Gruppe „Popstars“ vom Wittekindshof und die X-Mal-Blechbläser, die auch das Abschlussstück „Freude schöner Götterfunken“ – die Europahymne von Beethoven – zum Besten gaben.

An dem Aktionstag waren folgende Einrichtungen, Gruppen und Organisationen beteiligt: „Pulse of Europe“, die Diakonie Stiftung Salem, die Diakonische Stiftung Wittekindshof, EUTB, Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung, „Four Wheels Minden“, GWD Minden – Sport und Inklusion, das KSL Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben, die Lebenshilfe Minden e.V. , die Selbsthilfe Kontaktstelle PariSozial Minden-Lübbecke, die Stiftung Club 74 und der Beirat für Menschen mit Behinderungen.

Bereits zum zweiten Mal fand der Aktionstag zusammen mit dem Europatag von „Pulse of Europe“ vor dem historischen Rathaus statt. Beim europaweiten Protest- oder Aktionstag geht es darum, auf die Situationen von Menschen mit Behinderungen aufmerksam zu machen. Die Stadt Minden beteiligt sich an dem Tag bereits seit 2015.