Erste sportpolitische Demokratiebewegung in Petershagen

Einst aus Protest gegen undemokratische Vorgänge im Vorgängerverein gegründet, ist er heute ein ganz normaler Sportverein. 

 

Spätestens beim Rückblick sollte man sich wenigstens einmal mit der Frage beschäftigen, welche Gründe überhaupt zu der Gründung des SC – Petershagen geführt haben, denn es gab bereits mit dem TV – Petershagen einen Sportverein mit der Hauptsportart Handball. Dieser Rückblick offenbart eine Vergangenheit, die nicht typisch ist für die Gründung eines Vereins sondern ausgesprochen außergewöhnlich, denn es ging um demokratische Werte, um Mitbestimmung und Ablehnung von Manipulationen, auf die man noch heute stolz sein könnte und die so schnell kein anderer Verein aufweisen kann.

 

Auf der am 08.03.08 stattfindenden Feier des SC – Petershagen ist solch ein Rückblick wohl nicht vorgesehen, denn scheinbar ist die neue Geschichte des Vereins eine Vergangenheit ohne die Werte, die den Verein überhaupt erst möglich gemacht haben und ohne die es diesen überhaupt nicht gäbe. Wie die Entstehung der heutigen Bundesrepublik Deutschland ohne Kenntnis über das NS – Regime und die ehemaligen DDR nicht nachvollziehbar ist, kann der Verein SC – Petershagen seine Existenz nicht begründen, wenn er die Wirklichkeit seiner realen Geschichte ausblendet.

 

Fast die gesamte Handballabteilung des TV – Petershagen verließ 1982 bis 1983 diesen Verein und trat in den am 05.03.1983 neu gegründeten SC – Petershagen ein, da man genug von der Gutsherrenart des damaligen Vorsitzenden Hans Herrman Brey hatte und feststellen musste, dass unter dessen Führung die Vorstandswahlen gefälscht worden waren, um mißliebige Vorstandsmitglieder zu verhindern.
Eidesstattliche Versicherungen belegten die Zeugenaussagen, dass Stimmen für Mitglieder abgegeben worden waren, die überhaupt nicht anwesend waren.
Während zuvor Einsichtsrechte in die Haushaltsführung des Vereins verweigert wurden, dringend benötigte Gelder für Abteilungen verweigert worden waren und ständig Einmischungen in die Abteilungs- und Trainingsarbeit stattfanden, war dann die Wahlmanipulation der Schlusspunkt für den Handball im TV – Petershagen und damit dies die Geburtsstunde des SC – Petershagen.
Dabei war die Arbeit des damaligen Handballabteilungsleiter und Spielertrainer der 1. Herrenmannschaft, Gerd Ksinsik und des Obmannes Manfred Herrmann mehr als erfolgreich, denn die Mannschaften spielten alle oben mit und die 1. Herrenmannschaft stand zum ersten mal in ihrer Geschichte kurz vor dem Aufstieg in die Kreisliga. Kern des Erfolges war die Teamarbeit und das Zusammenwirken aller Ehrenamtlichen, die sich in der demokratischen Zusammenarbeit wiederfanden und dadurch Spaß an ihrer Arbeit hatten.

 

Mit der Austrittswelle und der Neugründung des SC – Petershagen begann ein außergewöhnlicher und teilweise grenzwertiger Konkurrenzkampf, denn der neue Verein musste überall seine Rechte erkämpfen und ganz unten wieder anfangen. Handball war zeitweise nicht nur Sport sondern Ideologie, denn es standen sich die Alten gegen die Neuen gegenüber, der Umbruch von der Vergangenheit zur Neuzeit und der Rückblick mit den alten Geschichten der Zukunft mit neuen Ideen und Zielen.
So verblieb auch als einzige Mannschaft die Alten Herren um den Vorsitzenden Brey im TV, von diesem gesponsert mit Thekenlagen und verbunden mit alten Geschichten um einen ehemaligen Olympiasieger aus dem Verein und der alten glorreichen Großfeldhandballzeit.
Es war auch der Umbruch im Handball vom Großfeld zum Hallenhandball und damit einer ganz anderen Spielweise, die mit den alten Zeiten nur wenig gemeinsam hatte.

 

Man machte es dem neuen Verein nicht leicht. Nicht nur, dass alle Mannschaften wieder ganz unten anfangen mussten, in der niedrigsten Spielklasse, auch der Handballverband stand der Neugründung nicht sehr positiv gegenüber, war doch der alte Vorsitzende H.H. Brey als Rechtsanwalt recht bekannt und Funktionär im Vorstand des Verbandskreisvorstandes Handball und gleichzeitig Schiedsrichterobmann.
Handball im SC war nicht nur eine sportliche Aktivität sondern auch ein Kampf gegen Vorurteile, absichtliches Verpfeifen der Spiele und grenzte häufig an reine Körperverletzung, da die gegnerische Fouls nur selten abgepfiffen wurden.
Auch von der Stadt Petershagen kam Widerstand, denn es galt, Hallenzeiten zu bekommen, ohne die ein Spiel- und Trainingsbetrieb nicht möglich war und die musste der alte Verein dann abgeben, da er diese nicht ausfüllen konnte.
Der TV – Petershagen versuchte mit seiner einzigen verbliebenen Altherrenmannschaft in der 1. Kreisklasse und eine neu gebildete Frauenmannschaft die Serie fortzusetzen, was von Spiel zu Spiel zu einem Desaster wurde und letztlich bei beiden bis zum Abstieg in die unterste Klasse führte.
Beim SC – Petershagen gelang trotz der Widerstände der Aufstieg in die alten Spielklassen und die Mitgliederzahl stieg.
Einige Jahre dauerte der Konkurrenzkampf zwischen dem TV und SC was zu teilweise vorher undenkbarem Einsatz vom Leuten auf beiden Seiten geführt hat. Während es sonst immer ein Problem war, ausreichend Mitarbeiter zu bekommen, beflügelte der Konkurrenzkampf nun das Engagement.
Man kann sich denken, dass solch eine Neugründung mit so viel Leuten, über 80 Sportler, nicht einfach war vom finanziellen bis zum organisatorischen Aspekt.
Die damaligen Vorstandsmitglieder P. Owczarski, Gerd und Volker Ksinsik spendeten damals je 3000, -DM um einen neuen Start überhaupt möglich zu machen.

 

Es mussten alle Sportgeräte und Ausstattungen neu gekauft werden, Hallenzeiten organisiert werden, Trainer rekrutiert werden, Mannschaften zusammen gestellt werden, ein Vorstand gebildet werden, die Vereinsgründung vorgenommen, eine Satzung geschrieben, die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung besorgt werden, einfach alles.

 

Neben diesen organisatorischen Arbeiten liefen dann noch die sportpolitischen und ideologischen Grabenkämpfe, denn die verbliebenen Mitglieder des TV versuchten Leute aus dem SC herauszubringen, während dieser den Eltern und der Öffentlichkeit deutlich machen mussten, warum die Neugründung und der Neuanfang unumgänglich war. Eltern verpflichteten sogar ihre Kinder, im jeweils favorisierten Verein tätig zu werden, und die Fronten ähnelten teilweise den Auseinandersetzungen im politischen Wahlkampf.

 

Aber auch im neu gegründeten Verein gab es nach Abklingen der ersten Euphorie die ersten Abnutzungserscheinungen. Der erste 1. Vorsitzende des Vereins Owzcarski sah seinen Posten für sich mehr repräsentativ was zu Reibungen im Vorstand führte und nachdem er diverse Unterlagen verschlammt hatte und den Restvorstand belog wurde ihm zur Gesichtswahrung nahe gelegt, nicht mehr zu kandidieren, da der Restvorstand mit ihm nicht mehr antreten würde. Sein Nachfolger wurde dann Volker Ksinsik. Das war dann wohl die produktivste Zeit, denn es wurden von u.a. seinem Bruder Gerd Ksinsik die Abteilungen Badminton und Aerobic gegründet, deren erster Trainer er dann auch war. Diese Abteilungen haben sich inzwischen deutlich vergrößert und sind heute ein beliebtes Angebot.

 

Als Volker Ksinsik aus Zeitgründen später nicht mehr weitermachen wollte, wurden die ersten Erosionen im Demokratieverständnis deutlich, indem Owczarski dann problemlos wieder gewählt wurde. Geschichte wiederholt sich scheinbar. Das war dann auch der Grund warum einige alte Aktivisten den neuen Verein wieder verließen.
Es war eine bewegte und kreative Zeit die leider auch die typischen Vereinsschwächen verdeutlichte, dass einzelne viel bewegen, aber auch einzelne viel kaputt machen können.

 

Heute ist der Verein das, was man üblicher Weise unter einen solchen versteht. Etabliert, anerkannt und eine Organisation für verschiedene Sportarten wie Handball, Volleyball,Badminton,Ju-Jutsu,Aerobic,Tanzen und Kinderturnen unter der Regie von ehrenamtlichen Helfern. Trotz vieler Zweifel hat der Verein überlebt und kann Dank der Hilfe der vielen neu hinzugekommenen Mitarbeiter auf ein 25 jähriges Bestehen mit wachsendem Erfolg zurück blicken. Das das ein Grund zum Feiern ist, versteht sich von selbst.