Kohl hat da Maßstäbe gesetzt in der Kunst Affären zu überleben.
Berühmt wurde sein Ausspruch:“Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter.“ Er beherrschte das Einmaleins des Aussitzens und ließ sich von keiner Affäre aus dem Amt treiben. Aussitzen ist eine Fähigkeit, die viele Politiker zu einer wahren Kunst erhoben haben. Darum sind viele noch da, wo sie eigentlich nicht mehr sein sollten.
Dabei ist Christian Wulffs Ausgangsposition wesentlich komfortabler. Als Präsident der Bundesrepublik Deutschland kann er nicht einmal abgewählt werden. Es ist als nur eine Frage der Ausdauer. Wer hält länger durch, er oder die Öffentlichkeit, angetrieben durch die Presse.
Im Vergleich zu seinen Vorgängern ist Wulff da aber noch eher Amateur. Man erinnere sich nur noch an Franz Josef Strauß.
Als Verteidigungsminister, Ministerpräsident von Bayern und CSU – Chef waren die Skandale der Senf zur Bayrischen Weißwurst. Die Starfighteraffäre, wo er in den 50zigern als Verteidigungsminister desolate Maschinen kaufte, die reihenweise abstürzten und den Vorwurf der Korruption nach sich zogen, gehörte zu der teuersten und bekanntesten Affäre. Erst die Spiegelaffäre, wo er den Herausgeber Augstein verhaften und einsperren ließ, da ihm die Berichterstattung nicht passte, führte zu seinem Rücktritt. Das hinderte ihn aber nicht, anschließen Ministerpräsident von Bayern und Bundeskanzlerkandidat zu werden. Kohl war vom selben Kaliber. Er brach mal ganz locker das Parteiengesetz, als er sich weigerte, in der CDU – Schwarzgeldaffäre die Namen der Spender zu nennen, denen er lt. seiner Aussage sein Ehrenwort gegeben hätte.
Drei Phasen zum Machterhalt
Phase 1 Der Skandal
Empörung in der Öffentlichkeit, Abstreiten, Abwiegeln, kleine Zugeständnisse machen. Zugeben, was ohnehin bekannt geworden ist. Zeit gewinnen, Versprechungen machen und Transparenz ankündigen. Alles nur Nervensache. Irgendwann sind die Leute diese Berichte leid und dann müssen die Journalisten sich neuen Themen zuwenden.
Phase 2 Der Mitleidseffekt
Die Vorwürfe werden differenzierter, kleinteiliger, unüberschaubarer. Die Stimmung in der Bevölkerung kippt. Immer mehr reden von Hetzjagd und fordern ein Ende. Viele wollen es gar nicht mehr hören und haben Mitleid. Andere solidarisieren sich sogar mit dem Verursacher und verurteilen die Ankläger als die eigentlichen Übeltäter. Von der Macht der Presse ist die Rede, man empört sich über die Justiz der Straße. Nun hat der Wulffer schon fast gewonnen.
Phase 3 Der Gewinner
Der Skandal wird zunehmend von anderen Nachrichten überdeckt, bis er ganz aus den Medien verschwindet. Zunehmend rücken erst die Parteikollegen, dann auch die anderen wieder näher an ihn heran und klopfen ihm anerkennend auf die Schulter. Gefestigt kommt der Politiker aus dem Skandal heraus und die Politik bestätigt ihm „Nehmerqualitäten“. Der Weg für höhere Aufgaben ist offen und die Vergesslichkeit wird zum besten Freund.
Finale
Beinahe hätte Christian Wulff es geschafft. Das Schiffsunglück in Italien und die Pleite von Schlecker hatten ihn schon von den Titelseiten verdrängt.
Neue Dimension: Korruption
Wäre da nicht sein ehemaliger enger Vertrauter und ehemaligen Pressesprecher Olaf Glaeseker. Gegen ihn wird nun wegen Korruption ermittelt. Die Staatsanwaltschaft in Hannover verdächtigt ihn, dass er sich von dem Veranstaltungsmanager Manfred Schmidt bestechen lassen habe. Umfangreiches und mögliches Beweismaterial stellten die Ermittler bei mehreren Hausdurchsuchungen sicher. Da wird Wulff Mühe haben, nachzuweisen, über die Handlungen nichts gewusst zu haben.
Neues Spiel, neues Glück. Zurück auf Los. Alles nur eine Frage der Ausdauer.
Bildquelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung