Minden. „Der Ausganspunkt ist die Zielsetzung: Wir wollen Minden als Einzelhandelsstandort stärken“, fasste Bürgermeister Michael Buhre zum Abschluss der rund dreistündigen Veranstaltung mit dem Schwerpunkt „Handel“ im Rahmen der Entwicklung des Wesertor-Quartiers am vergangenen Mittwoch (23. Januar) zusammen. Der Bürgermeister strich auch heraus: „Wir brauchen das geplante Shopping-Center.“ Jedoch dürfe sich dieses nicht schädlich auf den Einzelhandel auswirken und müsse möglichst gut in die Innenstadt integriert sein. Das Projekt müsse daher weiter ganzheitlich als eine komplette Quartiersentwicklung betrachtet werden, so Buhre.
Dass Handel ständig im Wandel ist, stellte Dr. Joseph Frechen (Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Bulwien Gesa AG, Hamburg) in seinem Einführungsvortrag mit dem Titel „Handel der Zukunft“ heraus. Vor dem Hintergrund, dass der Online-Handel immer mehr Marktanteile gewinne, müsse sich der Einzelhandel mit entsprechenden Service- und Dienstleistungen darauf einstellen. „Die Innenstädte erleben derzeit eine Renaissance“, so Frechen. Deutlich werde dieses daran, dass nahezu alle neuen Shoppingcenter in den Zentren entstehen. Auch ziehe es verstärkt international aktive und vor allem bei jungen Kunden gefragte Filialisten in die Innenstädte. Gleichzeitig sei zu beobachten, dass die Citys wieder für die Gastronomie interessant sind, vor allem in den B-Lagen.
Mit einem ganzen Paket Zahlen „versorgte“ Diplom-Geograf Martin Kremming von der CIMA Beratungs- und Management GmbH (Lübeck) die mehr als 100 Bürgerinnen und Bürger im Großen Rathaussaal. Er stellte das Gutachten zum Handelsstandort Innenstadt Minden vor, das in Zusammenhang mit den Planungen eines Einkaufcenters am Wesertor von der Stadt Minden in Auftrag gegeben wurde. Danach gibt es in der Mindener Innenstadt 5.700 Quadratmeter weniger Verkaufsfläche als 2008. Die Umsätze gingen um rund 9 Millionen Euro zurück. Auch hat Minden an Handelszentralität verloren. Derzeit sind es nur noch 115 Prozent, 2008 waren es noch 128,9 Prozent. Der Faktor ist ein Indikator für die regionale Attraktivität einer Einkaufsstadt.
Bestandteil der Analyse war auch eine Haushaltsbefragung. Danach sind viele Bürger/innen unzufrieden mit dem Angebot in der Innenstadt. Viele beklagen Leerstände und vermissen bestimmte Sortimente, wie Elektroartikel, Haushaltswaren, Lebensmittel und Spielwaren, die es noch vor einigen Jahren in der Innenstadt gab. 51 Prozent der Befragten kaufen weniger in Minden ein als noch vor einigen Jahren. Dazu hat auch die Schließung von Hertie im Juli 2009 beigetragen. Davon profitiert haben der Werre-Park in Bad Oeynhausen und das Porta-Einkaufszentrum im benachbarten Barkhausen.
Die CIMA hat in ihrer Untersuchung zur Verträglichkeit des Centers mit drei Größenordnungen gerechnet: 20.000 Quadratmeter (durchschnittliche Größe benachbarter Center), 26.000 Quadratmeter als maximale Fläche, was der Hälfte der in der Innenstadt vorhandenen Einzelhandelsfläche (52.000 Quadratmeter) entspricht, sowie als Mittelwert 23.000 Quadratmeter. Das Fazit der CIMA: Alle Größen sind verträglich. Die Begründung hierfür ist, dass keine bedeutenden Umsatzverteilungen zu erwarten sind und es innerhalb der Innenstadt zum Teil eine Rückumverteilung von Umsätzen geben wird. Kaufkraft könne zurückgewonnen und mit dem Center „als Magneten“ sogar neue aus der Region gebunden werden, so Martin Kremming.
In der anschließenden Podiumsdiskussion sah Jürgen Ahrens, geschäftsführender Gesellschafter des Hauses Hagemeyer, vor allem die geplante Größe des Centers und die damit verbundene Umverteilung der Umsätze in den Innenstadt kritisch. Er bezog sich dabei auf eine Arbeitshilfe des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums, die die Empfehlung ausspricht, die innerstädtische Verkaufsfläche um nicht mehr als 15.000 Quadratmeter auszuweiten (auf der Website www.minden-gestalten.de eingestellt). Klaus-Albert Birkenkämper, alteingesessener Einzelhändler an der Bäckerstraße (Birkenkämper Optik), machte deutlich, dass es wichtig ist, verlorenes Terrain und Frequenzen wieder zurückzugewinnen. Es müsse endlich etwas passieren. Größendiskussionen seien müßig. „Es macht doch keinen Sinn, dass wir um 1000 oder 2000 Quadratmeter feilschen“, so der Einzelhändler.
Die ECE setzt in ihrem Konzept auf Lückenschließung. Das machten Projektleiter Nikolaus Thätner und ECE-Regionalleiter Centermanagement, Axel Diewald, deutlich. Sie seien sehr daran interessiert, die zurzeit in der Innenstadt nicht vorhandenen oder unterrepräsentierten Sortimente anzusiedeln. Dazu gehören ein Elektronikfachmarkt, ein Lebensmittelmarkt, Geschirr- und Deko-Artikel sowie ein breites Angebot im Bereich Sport- und Freizeitausrüstung – mit jeweils großen Flächenanteilen. Eingeplant hierfür sind allein 10.000 bis 12.000 Quadratmeter Fläche. Gesetzt sei auch, dass das an Ort Stelle vorhandene Bekleidungshaus C&A mit ca. 3.300 Quadratmetern in das neue Center einzieht. Darüberhinaus will ECE Filialisten und Marken für Minden gewinnen, die es bislang in der Innenstadt noch nicht gibt.
Auf die Frage eines Stadtverordneten, wann es denn nun losgehe, antwortete Thätner, dass momentan in Zusammenarbeit mit der Stadt und Planungsbüros daran gearbeitet werde, Baurecht zu schaffen. Er ließ durchblicken, dass ECE gerne Ende 2015 das Center eröffnen wolle, spätestens aber im Frühjahr 2016.
Die nächste Veranstaltung im Rahmen der dialogorientierten Bürgerbeteiligung zur Entwicklung des Wesertor-Quartiers mit dem Schwerpunkt „Verkehr und Mobilität“ ist für Donnerstag, 14. März, ab 19 Uhr im Großen Rathaussaal vorgesehen. Der ursprünglich hierfür angesetzte Termin 12. Februar konnte nicht gehalten werden, weil sich die Erhebung relevanter Verkehrsdaten durch das anhaltende Winter-Wetter verzögert.
Bildquellennachweis: Pressestelle Stadt Minden