Klimaschutz bleibt auf der Strecke

Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die britische Umweltschutzorganisation „Sandbag Climate Campaign“ haben der Industrie vorgeworfen, die Kostenbelastungen durch den EU-Emissionshandel zu übertreiben. Tatsächlich hätten Industrieunternehmen in Deutschland inzwischen 85 Millionen überschüssige Klimagas-Zertifikate angehäuft. Diese Menge entspreche dem jährlichen CO2-Ausstoß von Österreich. 

 

Neue Untersuchungen der zehn Unternehmen mit den meisten Überschüssen – darunter ArcelorMittal, die Salzgitter AG, BASF und ThyssenKrupp – belegten, dass die Zahl angehäufter Klimagas-Zertifikate drastisch angestiegen sei. Eventuelle künftige Klimaschutzmaßnahmen würden den untersuchten Unternehmen deshalb so gut wie nichts kosten. „Allein die zehn größten Profiteure des CO2-Zertifikatehandels konnten auf diese Weise bislang Zusatzgewinne von 1,2 Milliarden Euro einstreichen. Der Zertifikate-Überschuss versetzt diese Unternehmen in die Lage, bis 2020 für ihre CO2-Emissionen nichts zahlen zu müssen“, sagte die BUND-Klimaexpertin Tina Löffelsend.

 

Damit der EU-Emissionshandel zu einem wirksamen Instrument für mehr Klimaschutz werden könne, müssten CO2-Zertifikate teurer und knapper werden, forderte Löffelsend. Höhere Preise für CO2-Zertifikate würden auch der Energiewende in Deutschland nützen. Mit höheren staatlichen Einnahmen aus dem Emissionshandel ließen sich zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen fördern. Auch die Umlage auf den Strompreis nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz sinke, wenn klimaschädlicher Kohlestrom durch den höheren CO2-Zertifikatepreis verteuert werde.

 

Während sich die Industrie auf überschüssigen CO2-Zertifikaten ausruht, blockiert Bundeswirtschaftsminister Phillip Rösler die Reform des europäischen Emissionshandels“, kritisierte Löffelsend. „Bundeskanzlerin Angela Merkel muss diese Blockade auflösen. Die Reform des EU-Emissionshandels ist überfällig“, sagte die BUND-Klimaexpertin.

 

Die von uns untersuchten zehn Unternehmen haben von 2008 bis 2011 ein Drittel mehr CO2-Zertifikate erhalten als sie Kohlendioxid emittierten. Diese Überschüsse sind allein zwischen 2010 und 2011 um rund 40 Prozent gestiegen. Das heißt, energieintensive Industrieunternehmen konnten erkleckliche Zusatzprofite einstreichen. Sie können ihre überschüssigen Zertifikate verkaufen oder gegen preiswerte internationale CO2-Gutschriften eintauschen“, sagte Damien Morris, Klimaexperte bei „Sandbag“.

 

Die Fakten widerlegten die Klagen der Industrie, der Emissionshandel würde ihnen zu hohe Kosten aufbürden, sagte Morris. „Auch wenn die Wirtschaft nach der Krise wieder wächst, werden die Überschüsse für die meisten Unternehmen weiter bestehen. Es ist höchste Zeit, den CO2-Zertifikatehandel von einem `Goldesel` für die Industrie zu einem wirksamen Instrument für mehr Klimaschutz zu machen. Die deutsche Bundesregierung darf die längst überfällige Reform des Emissionshandels nicht länger blockieren“, so Morris.

 

Die beiden Umweltorganisationen forderten, neue CO2-Zertifikate in der gegenwärtigen Handelsperiode zumindest vorübergehend nicht mehr auszugeben. Die Bundesregierung müsse den entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission unterstützen. Erforderlich sei außerdem eine grundsätzliche Reform des Emissionshandels. Dabei müsse das Angebot an CO2-Zertifikaten dauerhaft verringert werden und einhergehen mit der Anhebung des EU-Klimaziels für 2020 auf mindestens minus 30 Prozent gegenüber 1990.

 

Den Bericht „Klimagoldesel 2013“ finden Sie im Internet unter: http://bund.net/pdf/klimagoldesel2013