Minden. Nach 2007 war die Stadt Minden jetzt erneut Gastgeberin der Bürgermeisterkonferenz der Partnerstädte des Wilmersdorfer Kreises. Hier treffen sich alle zwei Jahre die Spitzen der Politik aus den Partnerstädten Sutton/England, Gagny/Frankreich, Gladsaxe/Dänemark und Charlottenburg-Wilmersdorf/Berlin und aus Minden. Als Gast war für einen Teil des Programmes auch die Stadt Apeldoorn/Niederlande vertreten, mit der Minden und auch die übrigen Partnerstädte des Wilmersdorfer Kreises bis in die 1990er Jahre eine offizielle Städtepartnerschaft hatte.
Von Donnerstagabend bis Samstagfrüh (12. November) waren die Bürgermeister*innen und Mitarbeiter*innen der Verwaltungen in Minden zu Gast. Neben der eigentlichen Konferenz, die am Freitagmorgen stattfand, gibt es immer auch ein Rahmenprogramm. Die Bürgermeisterkonferenzen stehen regelmäßig unter einem Fachthema, zu dem sich die Bürgermeister*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen austauschen. Das diesjährige Treffen in Minden hatte den Schwerpunkt „Integration von Flüchtlingen – Chancen und Herausforderungen für die Kommunen.“
Dass es in der Flüchtlingsfrage ganz unterschiedliche Zahlen, Bedingungen und Voraussetzungen für Integration gibt, erstaunte so manche/n Konferenzteilnehmer*in. Während Charlottenburg-Wilmersdorf und Minden vor großen Aufgaben und Herausforderungen stehen, eine große Zahl von Flüchtlingen zu integrieren, sieht dieses in Gagny und Gladsaxe ganz anders aus. Nahezu keine beziehungsweise nur rund 50 Flüchtlinge haben die beiden Städte im vergangenen und in diesem Jahr aufgenommen.
Passend zum Konferenzthema wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Freitagnachmittag das „Eine-Welt-Dorf“ – ein Projekt der Aktionsgemeinschaft Friedenswoche – vorgestellt. Hier werden in verschiedenen Projekten Kinder – mit und ohne Migrationshintergrund – zusammengebracht und kreativ tätig. So sind in den vergangenen 14 Jahren auf dem Grundstück an der Eine-Welt-Schule – früher Königsschule – kleine Häuser entstanden, die für je einen Kontinent und dortige Projekte stehen. Außerdem gibt es ein „Haus der Religionen“, das Grodno-Haus (benannt nach der Partnerstadt Mindens in Weißrussland), das auch Platz für Aktivitäten bietet, ein Insektenhotel und eine Werkstatt, die den Namen „Novosibirsk“ trägt.
Unter dem Titel „Werkstatt Vielfalt“ wird derzeit mit vielen Kindern und Akteuren an der Vorbereitung der „Parade der Vielfalt“ nach dem Vorbild des Karnevals der Kulturen in Berlin und Bielefeld im Sommer 2017 gearbeitet. Dazu gibt es ein Kunstprojekt – Alte Meister werden hier neu interpretiert – und ab Januar einen Rap-Musikworkshop. In die Projekte werden auch junge Flüchtlinge, die gerade angekommen sind und wenig Deutsch sprechen, miteinbezogen. Das „Eine Welt Dorf“ arbeitet eng mit der benachbarten Schule, dem Netzwerk BOA und anderen Bildungsträgern zusammen. Es ist ein außerschulischer Lernort, der vor allem im Frühjahr und Sommer stark frequentiert ist. Dann wird auch schon mal der traditionelle Lehmbackofen “angeworfen“. Dass das wirklich viel Arbeit bedeutet, erläutert die Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Friedenswoche, Heide Horstmann, bei einem Rundgang mit den Gästen aus den Partnerstädten. Ganze drei Kubikmeter Holz werden für das Anfeuern des Ofens gebraucht. Heraus kommen dann leckere Kuchen oder auch Pizza.
Als „absoluter Höhepunkt des Begleitprogrammes“ wurde der Freitagabend von den Beteiligten bewertet. Im Bootshaus der Kanusportgemeinschaft (KSG) an der Weser wartete ein besonderes Büffet auf die Teilnehmer*innen – zubereitet von der syrischen Familie Zakhour, die vor vier Jahren nach Minden gekommen ist. Nicht nur die Auswahl der arabisch-orientalischen Speisen, sondern auch die Herstellung interessierten und fanden großes Lob. Mehrmals und sehr gerne erklärte Amal Zakhour die Zutaten und Rezepte der Vorspeisen und Gerichte. Ganze zwei Tage wurde vorbereitet und gekocht. Amal Zakhour wurde hierbei auch von ihrem Mann Amin, ihrem Sohn Wössem und ihrer Tochter Nour unterstützt. Die Idee für das arabische Büffet kam von der GeFIS, der Gesellschaft zur Förderung Internationaler Städtepartnerschaften Minden e.V., die die Stadt Minden bei den umfangreichen Vorbereitungen der Konferenz und während der Konferenztage mit Dolmetschertätigkeiten in großem Maß unterstützt hat. Den krönenden Abschluss des Abends bildete dann noch ein kleines Konzert von drei syrisch-kurdischen Musikern der Gruppe“Pèl“.
Zu Beginn der Bürgermeisterkonferenz brachte Bürgermeister Michael Jäcke den Teilnehmer*innen die Weserstadt Minden etwas näher. Er gab einen allgemeinen Überblick und stellte Standortfaktoren vor. Danach sind rund 38.000 Menschen in 4500 Firmen und Betrieben beschäftigt. Die Zahl der Einpendler*innen (27.000), die in Minden arbeiten, sei fast doppelt so hoch, wie die der Auspendler, so Jäcke. In seiner Präsentation ging der Bürgermeister auch auf eine veränderte demografische Lage ein: So werde es in Minden in absehbarer Zeit mehr ältere Menschen und weniger junge geben. Darauf sollte auch die Stadtverwaltung reagieren und vorbereitet sein. Minden entwickele sich stetig weiter. Das Projekt RegioPort geht voran, die Innenstadt ist in den vergangenen Jahren saniert worden, in 2018 könnte eine Multifunktionshalle entstehen und an einem Entwicklungskonzept für das Rechte Weserufer wird ebenfalls gearbeitet, fasste Jäcke zusammen.
Nach der Einführung des Bürgermeisters stellte Selvi Arslan-Dolma, Integrationsbeauftragte der Stadt Minden, die Situation der geflüchteten Menschen in Minden dar. Ausgehend von der überraschenden Aufnahme von rund 300 Personen in der Sporthalle in Häverstädt im vergangenen Jahr, sprach sie von den Herausforderungen der Unterbringung. Eine wesentliche Aufgabe, die größtenteils durch freiwillige Helfer*innen geschultert wurde, war die Versorgung der Geflüchteten mit Kleidung. Es entwickelte sich sehr schnell ein ehrenamtliches Netzwerk. Aus diesem heraus organisierte sich eine Gruppe, die Deutschunterricht anbot oder Freizeitaktivitäten für Kinder und Jugendliche organisierte. Die Stadt Minden stand vor der Herausforderung genügend Wohnraum anzumieten und die Wohnungen schnellstmöglich einzurichten. Dabei unterstützten Soldaten der Bundeswehr und die Freiwillige Feuerwehr. Das Patenschaftsmodell habe sich als Chance für Integration herausgestellt. Zwischen den Paten und den Betrauten seien Freundschaften entstanden, die sich sehr positiv auf die Integration in die Stadtgesellschaft auswirken, berichtete Arslan-Dolma.
Einen ganz ähnlichen Weg hat der Bezirk Wilmersdorf-Charlottenburg in Berlin eingeschlagen. Denn auch hier steht das ehrenamtliche Engagement und die daraus entstandenen freundschaftlichen Beziehungen an vorderster Stelle. Auch hier organisierten Freiwillige Kleidersammlungen und Deutschunterricht. Oliver Schruoffeneger (Ratsmitglied und zuständig für den Bereich Integration) berichtete, dass über die Projektarbeit bisher gute Ergebnisse erzielt wurden. So engagieren sich Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationsgeschichte bei einem Zirkusprojekt. Ebenfalls positiv wirken sich gemeinsame Ferien mit deutschen Kindern, Schwimmkurse und die Einrichtung von Willkommens-Klassen auf das Einleben in Deutschland aus. Neben den Deutschkursen haben die Geflüchteten in Wilmersdorf-Charlottenburg die Möglichkeit mit Hilfe eines E-Learning-Programms mit dem Smartphone die deutsche Sprache zu lernen.
Die dänische Stadt Gladsaxe hat im vergangenen Jahr rund 50 Geflüchtete aufgenommen. Die Willkommens-Programme sind mit dem dänischen Flüchtlingsrat abgestimmt. Ein Netzwerk organisiert Ausflüge und Sprachcafés. Gute Erfahrungen wurden mit dem Modell der Familien-Freundschaften gemacht. Das ist ein Patenschaftsmodell, dass Beziehungen zwischen einer dänischen und einer ausländischen Familie fördert. Die Unterbringung ist auch in Dänemark eine Herausforderung, denn es fehlt an preisgünstigem Wohnraum. Spätestens nach einem Monat starten die Geflüchteten mit einem Sprachkurs, der sich an ihrem schulischen Hintergrund orientiert. Auch das Thema Zugang zum Arbeitsmerkt wurde diskutiert. Dänische Arbeitgeber sind bereit den Geflüchteten eine Chance zu geben und sie im Betrieb zu beschäftigen. Aber es findet sich nicht für jeden den passenden Job, da die mitgebrachten Erfahrungen, Kenntnisstände und Qualifikationen unterschiedlich sind.
In der französischen Stadt Gagny sind Geflüchtete bisher noch nicht das beherrschende Thema. Aber es wird sich auch dort auf mögliche Ankommende vorbereitet.
Die niederländische Stadt Apeldoorn hält für die Aufnahme von Flüchtlingen sogenannte AZC-Zentren in Benutzung. Hier können 600 bis 800 Geflüchtete untergebracht werden. Rund 480 Männer konnten in verschiedenen größeren Zelten einquartiert werden. Hier bestand die Möglichkeit untereinander in Kontakt zu kommen und ein soziales Netzwerk aufzubauen. Auch in Apeldoorn engagieren sich zahlreiche freiwillige Helfer*innen für die Flüchtlingsunterstützung. Ein Ziel des dortigen Bürgermeisters ist es, den Druck auf dem Wohnungsmarkt zu reduzieren.