Minden. Sprache ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration – diesem Satz kann Sjoukje Niemeyer nur zustimmen. Die Lehrerin engagiert sich für den ehrenamtlichen Deutschunterricht in der Mindener Notunterkunft. Seit Ende Juli leben mittlerweile rund 300 Flüchtlinge aus vielen unterschiedlichen Ländern in Häverstädt. Deutschkenntnisse hat fast keiner. Der Sprachkurs schafft erste Grundlagen, um sich auf ein zukünftiges Leben in Deutschland vorzubereiten. Gestartet ist der Unterricht mit fünf Mindenerinnen und Mindener aus der Umgebung. Sie haben in den ersten Tagen den Flüchtlingen Vokabeln beigebracht. „Das lief alles ganz unbürokratisch und in Eigenregie ab“, sagt Niemeyer.
Viele weitere Mindenerinnen und Mindener wollten sich ehrenamtlich in der Notunterkunft engagieren. Aus diesem Grund startete die stellvertretende Bürgermeisterin Ulrieke Schulze Anfang September einen Aufruf. Rund 40 Freiwillige kamen zur Informationsveranstaltung in das KSG Bootshaus. Von da an haben sich bis heute rund 50 Personen jeder Altersgruppe zusammengefunden, um Deutsch zu unterrichten. Die Freiwilligen sind bunt gemischt – mit dabei sind pensionierte Lehrerinnen und Lehrer oder Berufstätige aus ganz unterschiedlichen Arbeitsbereichen. Besondere Voraussetzungen für das Engagement müssen nicht erfüllt werden. Spaß und Freude am Umgang mit Menschen reichen aus. Mittlerweile hat Sjoukje Niemeyer eine E-Mail-Kontaktliste erstellt, Springer eingeteilt und ein erster Erfahrungsaustausch ist auch schon organisiert. „Wir haben die Arbeit auf viele Schultern verteilt, sodass keiner überfordert wird. Unsere Teams sind so gut aufgestellt, dass Ausfälle aufgefangen werden können“.
„Zu unserer ersten Unterrichtsstunde kamen bis zu 60 Asylsuchende, das Interesse war sehr groß“, beschreibt Ulrieke Schulze. Beide Unterrichtsräume waren bis auf den letzten Platz belegt. In Teams mit bis zu fünf Personen gibt es täglich bis zu drei Deutschkurse in Häverstädt. Diese dauern 90 Minuten. Dabei stellt ein gelernter Lehrer den Stoff vor und die Ehrenamtlichen begleiten die Übungsphasen. Die Gruppen sind nach den unterschiedlichen Leistungsniveaus aufgeteilt. „Vieles wird auch über Mimik und Gestik vermittelt. Wir erklären an einfachen Beispielen und machen viele Sachen vor“ berichtet Schulze. Die Teilnehmerzahl hat sich in den vergangenen Wochen auf rund 20 Personen pro Kurs eingepegelt.
Aus dem Spendenpool sind die rund 600 Übungshefte finanziert worden, die beim Deutschunterricht eingesetzt werden. Die Arbeitshefte sind speziell auf die Bedürfnisse der Asylsuchenden zugeschnitten und vermitteln anhand vieler praktischer Beispiele und Bilder erste Kenntnisse. „Die Teilnehmer sind sehr aufmerksam und motiviert. Zu jedem Kurs bringen sie die Übungshefte mit und haben sogar teilweise selbstständig darin weitergearbeitet“, freut sich Niemeyer. Einige ehrenamtlich Engagierte stellen in ihrer Freizeit auch Zusatzmaterial für ganz besonders Wissbegierige zusammen.
Dreimal in der Woche findet für die Kinder ebenfalls eine Unterrichtseinheit statt. Der Kinderbereich ist personell noch nicht so gut aufgestellt, wie die Deutschstunden für die Erwachsenen. Interessierte sind willkommen und können sich für den Einsatz melden. Aufgrund von positiven Erfahrungsberichten haben sich bisher bereits drei Kolleginnen von Sjoukje Niemeyer entschlossen auch freiwillig Unterricht zu geben. „Ich unterrichte selbst Kinder mit Migrationshintergrund und stelle immer wieder fest wie wichtig es ist die Sprache zu beherrschen. Das ist meine Motivation mich freiwillig in Häverstädt zu engagieren, denn in die lachenden Gesichter der Teilnehmer zu schauen ist eine große Freude“, fasst Niemeyer zusammen.