Hannover. In diesem Jahr feiert die Städtepartnerschaft zwischen Hannover und Poznañ ihr 35-jähriges Bestehen. Die Feierlichkeiten anlässlich 300 Jahre Personalunion rückt außerdem die Städtepartnerschaft zwischen Hannover und Bristol in den Mittelpunkt. Beide Jubiläen haben Oberbürgermeister Stefan Schostok, Ryszchard Grobelny, Stadtpräsident von Poznañ, und George Ferguson, Bürgermeister von Bristol, zum Anlass genommen, die Verbundenheit und den Willen zur weiteren Zusammenarbeit im Rahmen der Städtepartnerschaft mit Memoranden zu bekräftigen und die Zusammenarbeit für die nächsten Jahre in gemeinsamen Arbeitszeitprogrammen abzustimmen.
Städtepartnerschaften tragen als „kommunale Außenpolitik“ zu den wichtigen gesellschaftspolitischen Entwicklungen ihrer Zeit bei. Sie sind ein Bereich der internationalen Beziehungen, in dem nicht die Nationalstaaten und ihre internationalen Institutionen politisch handeln, sondern die nichtstaatlichen Institutionen und die Zivilgesellschaft auf regionaler und kommunaler Ebene. Dabei kommt den Kommunen eine besondere Rolle zu, denn sie sind beides – lokaler politischer Verantwortungsträger und Zivilgesellschaft. Die Zusammenarbeit in internationalen Netzwerken und multinationalen Projekten ist durch Kommunen auf einer sehr direkten Ebene der Begegnung möglich.
Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs lagen die Hauptaufgaben der Städtepartnerschaft mit den Partnerstädten in Großbritannien und Polen in Friedenssicherung und Völkerverständigung „von unten“. In diesem Sinn hat Hannover als eine der ersten deutschen Städte im Jahr 1947 einen Partnerschaftsvertrag mit der Stadt Bristol geschlossen. Partnerschaften mit Perpignan (1960) und Rouen (1966) in Frankreich folgten in den 1960er Jahren. Seit den 1970er Jahren wuchs der Gedanke, den Eisernen Vorhang durch Annäherung und freundschaftliche Kontakte zu überwinden. Infolge der Entspannungspolitik entstanden zahlreiche Städtepartnerschaften zwischen Städten vor und hinter dem „Eisernen Vorhang“, so auch Hannover mit Poznañ (1979) und Leipzig (1987).
Mit der wachsenden kommunal wahrgenommenen Bedeutung der Nachhaltigkeit erleben die Städtepartnerschaften einen neuen Schwung: Global zu lösende Herausforderungen und ihre Strategien für das Leben in Kommunen und den wirtschaftlichen Wirkungsgrad rücken zunehmend in den Mittelpunkt. So liegt das besondere Potential der Städtepartnerschaften heute darin, auf der kommunalen Ebene an weltweit wichtigen Themen wie Bildung, kulturelle Vielfalt, nachhaltige Entwicklung, demokratische Teilhabe und Friedensförderung zusammen zu arbeiten. Kunst und Kultur spiegeln dabei die Gegenwart und können gesellschaftliche Diskussionen und Entwicklungen vorantreiben. Sie haben deshalb einen zentralen Stellenwert in der internationalen partnerschaftlichen Zusammenarbeit.
Bristol – Hannovers Partnerstadt in Großbritannien seit 1947
Die Handels- und Hafenstadt Bristol liegt im Südwesten Englands am Bristolkanal an der Mündung des Avon. Mit ihren zirka 340.000 EinwohnerInnen ist sie die sechstgrößte Stadt Englands. Auch heute noch prägen die historischen Hafenanlagen mit den Docks, Lagerhäusern, Seefahrerkirchen, Kaufmannshäusern und Kneipen das Bild Bristols und sind ein Zeichen für die lange Handels- und Seefahrertradition Bristols. Dieses Erbe wird von der Stadt in innovativen Projekten aufgegriffen und neu interpretiert. Beispiele sind das interaktive Museum M-Shed an den Docks des Hafens, Bristol’s Big Green Week oder das größte Street-Art-Festival Europas „Up-Fest“, das Bristol als Heimatstadt des bekannten Street-Art Künstler Banksy jährlich ausrichtet. Bristol gewann den European Green Capital Award 2015. Die Auszeichnung wird jedes Jahr an eine Stadt verliehen, um ihre Erfolge im Umweltschutz zu würdigen und somit andere Städte zu inspirieren, an nachhaltigen Konzepten für ihre Stadt zu arbeiten.
Wie es begann: Die Partnerschaft zwischen Hannover und Bristol
Als eine der ersten englisch-deutschen Städtepartnerschaften nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Partnerschaft zwischen Bristol und Hannover eine besondere Stellung und Bedeutung für die Aussöhnung zwischen den beiden ehemaligen Kriegsgegnern. 1947 reiste eine Gruppe von fünf Engländern um den Germanisten Prof. August Closs im Rahmen einer „Goodwill-Mission“ nach Hannover, die in dem Buch „Aus Kriegswirren zu Freundschaft – 60 Jahre Bristol und Hannover“ von John Michael Veale später festgehalten wurde. Diese heute legendäre erste Begegnung und das intensive Engagement der Beteiligten führten zu zahlreichen Kontakten und Freundschaften in den folgenden Jahren. 1983 wurde Hannover die Bristoler Ehrenbürgerwürde verliehen. Heute besteht eine lebendige Zusammenarbeit durch gemeinsame Projekte in den Bereichen Jugend, Kultur, Bildung und Sport mit Unterstützung des Bristol Hannover Councils, der Hannover-Bristol-Gesellschaft und der Bristol International Twinning Association. Hannover und Bristol arbeiten außerdem gemeinsam mit Invest Bristol and Bath (IBB), den Stadtwerken, hannoverimpuls und der Hannover Messe an innovativen Konzepten in den Bereichen Nachhaltige Entwicklung, Wirtschaft und Energie.
Poznañ – Hannovers Partnerstadt in Polen seit 1979
Poznañ liegt im Westen Polens am linken Flussufer der Wartha, ungefähr 300 Kilometer östlich von Berlin. Mit etwa 560.000 EinwohnerInnen ist Poznañ die fünftgrößte Stadt Polens und die historische Hauptstadt der Provinz Wielkopolska (Großpolen) sowie der gleichnamigen Woiwodschaft. Als Universitätsstadt, größter Verkehrsknotenpunkt zwischen Berlin und Warschau und Sitz der ältesten und größten Messe Polens (IMP, erbaut 1921) ist Poznañ ein wichtiges Zentrum für Bildung, Industrie und Handel. Poznañs attraktivster Stadtteil ist die historische Altstadt, in der nahezu ein Drittel aller EinwohnerInnen der Stadt leben. Wichtige Sehenswürdigkeiten sind das ehemalige kaiserliche Residenzschloss, das heutige Kulturzentrum „Zamek“ und die Kathedrale auf der Dominsel, die eine über tausendjährige Geschichte besitzt und zahlreiche polnische Nationalheiligtümer beherbergt. Mit einer lebendigen Kulturszene und namhaften Kulturveranstaltungen wie dem Malta-Festival für Musik und Theater oder der Mediations Biennale Poznañ ist die Stadt auch eine vielversprechende Kandidatin für die Kulturhauptstadt Europas 2016.
Wie es begann: Die Partnerschaft zwischen Hannover und Poznañ
Die Städtepartnerschaft mit Poznañ wurde am 29. Oktober 1979 gegründet, fast zeitgleich mit der Deutsch-Polnische Gesellschaft e.V. in Hannover. Die Gründung war bestimmt durch das Streben nach kommunaler Zusammenarbeit über den Eisernen Vorhang hinweg und den Wunsch nach Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. Die politischen Ereignisse prägten die ersten Jahre der Partnerschaft stark und machten die Begegnungen auch zu etwas ganz Besonderem, da bis 1989 große bürokratische Hürden zur Überquerung der Staatsgrenzen überwunden werden mussten. Nach dem Mauerfall, in der Aufbruchsstimmung Anfang der 1990er, entstanden insbesondere zwischen Chören und im Bereich des Jugendkulturaustauschs viele neue Kontakte. Heute finden regelmäßige Kooperationen und Austauschprojekte statt, unter anderem im Bereich Kunst (Mediations Biennale Poznañ), Musik (Bandcamp auf dem Fährmannsfest, Nordstadtkonzerte) und Theater (Internationales Jugendtheaterfestival fairCulture), und zum fairen Handel (EU-Projekt „aware & fair“). Anlässlich des 35-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft sind für das Jahr 2014 offizielle Besuche, gemeinsame Sportprojekte (Fahrradtor des SC Polonia nach Poznañ, Drachenbootrennen mit dem Hannover Sportclub), Schultheateraustausch (Young Malta Festival Poznañ mit dem Georg-Büchner-Gymnasium), interkommunale Begegnungen (Gewerkschaften) und Rockmusikprojekte geplant.
» Memorandum zur Kooperation zwischen Bristol und Hannover