5.000 Gelbe Säcke pro Schicht – Einen Tag Praktikum bei der Abfallwirtschaft

2.154 Tonnen an Gelben Säcken wurde 2016 von den Mitarbeitern der Abfallwirtschaft der Städtischen Betriebe Minden eingesammelt, das sind 26 Kilogramm pro Einwohner*in im Schnitt pro Jahr

Minden. „Knochenjob“ bei 33 Grad – Stellvertretender Betriebsleiter Andreas Kruse fuhr acht Stunden auf dem Müllwagen mit. „Einmal einen Tag Müllmann sein“ – diesen Wunsch hat sich jetzt Andreas Kruse, stellvertretender Leiter der Städtischen Betriebe Minden (SBM), erfüllt. Pate für die Idee war nicht nur der reine Wunschgedanke, sondern vor allem das Interesse an der Aufgabe an sich und auch das Team einmal richtig kennenzulernen. Er plant weitere Praxis-Tage in anderen Bereichen/Tätigkeitsfeldern der SBM. Für sein „Praktikum“ bei der Abfallwirtschaft hatte sich Andreas Kruse dann 14 Tage vorher auch den „richtigen“ Tag ausgesucht: Mittwoch, 19. Juli 2017, mit Spitzentemperaturen von 33 Grad. An diesem Tag werden Gelbe Säcke und Papiertonnen abgefahren. Sein Fazit nach knapp acht Stunden auf dem Wagen: „Das ist ein echter Knochenjob – nicht nur im Hochsommer“.

Stellvertretender Betriebsleiter Andreas Kruse am Ende seines eintägigen Praktikums bei der Abfallwirtschaft auf dem Hof von Tönsmeier / © Städtische Betriebe Minden

Bewusst hat er sich für die Tour entschieden, bei der die Gelben Säcke eingesammelt werden. Denn das ist besonders anstrengend für die Beschäftigten der SBM, die im Stadtgebiet Woche für Woche den Müll entsorgen. „Die Säcke müssen vor den Grundstücken gebündelt gepackt und mit Schwung auf den Lastwagen geworfen werden“, so Kruse. Da geht auch schon mal einer kaputt oder war es schon vorher. Dann heißt es: Schnell alles wieder mit der Hand einsammeln. Für den Einsatz von Besen und Kehrblech bleibt keine Zeit.

Rund zehn Säcke sind auf der Tour am 19. Juli gerissen – unter anderem weil ein schwerer Topf im Sack war, der darin nichts zu suchen hatte. „10 ist eine echt gute Quote“, wie der Leiter des Betriebshofes und Vorgesetzter aller Beschäftigen in der Abfallwirtschaft, Horst Lehning, weiß. Viel mehr „Scherereien“ haben die Beschäftigten, wenn nachts starker Wind war. Dann müssen die weggeflogenen Säcke und teilweise auch einzeln ihre Inhalte mühsam von der Straße, von Gehwegen, aus Vorgärten oder von Grünflächen eingesammelt werden. Schön ist es auch nicht, wenn es geregnet hat. Dann werden die Müllwerker bei jedem Schwung der Säcke auf die Ladefläche des Lkw „geduscht“.

Weitere „Feinde“ des Müllwerkers in der Gelben-Sack-Abfuhr sind vor allem nachts aktiv. „Weil die meisten Säcke abends rausgestellt werden, machen sich gelegentlich Tiere an den Inhalten zu schaffen“, so Kruse. Nicht nur für Ratten, sondern auch für Katzen, Kaninchen, Vögel und Igel sind Lebensmittelreste in Plastikbechern, -schalen oder Tetrapacks interessant. Apropos Igel: Ein scheuer Nager hatte sich am vergangenen Mittwoch in einem Sack verfangen und konnte von Kruse und seinem Kollegen befreit werden. „Sehr schnell ist der dann in den nächsten Garten geflüchtet.“

Mehr als 1000 Haushalte werden an diesem Tag angefahren. Jeder hat im Schnitt vier bis sechs Gelbe Säcke an der Straße stehen. „Das heißt, dass in einer Schicht bis zu 5000 Säcke von zwei Leuten gegriffen und in den Lastwagen geworfen werden müssen“, berichtet der stellvertretende Betriebsleiter weiter, der an diesem Tag einen Mann der Abfallwirtschaft voll ersetzt hat. An seiner Seite im Heck hatte er den neuen Kollegen Dirk Everding, der seit März für die SBM arbeitet. Am Steuer saß der erfahrene Kollege Sergej Fester, der diesen Job schon 19 Jahre lang macht. Bereits nach kurzer Arbeitszeit war klar: „Die Wertstofftonne muss her. Eine Einsicht, die die Mitarbeiter*innen schon lange haben und die für alle Bürger*innen einen Mehrwert hätte“, so Kruse.

Rund 7,1 Tonnen dualer Müll wurden an diesem Mittwoch bewegt und zum Unternehmen Tönsmeier gefahren, das die Wertstoffe aus dem Dualen System verarbeitet. Geschätzt 800 Mal ist Andreas Kruse auf die Trittfläche hinten am Wagen auf- und wieder abgestiegen. „Da merkt man am Abend Rücken, Kniegelenke und Beinmuskeln“, so Kruse, der viel Sport treibt und sich als fit beschreibt. An diesem Tag – nach vermutlich 2000 verbrannten Kalorien – kann er auf weitere Bewegung gut verzichten. „Eine Flasche Wasser war an diesem Tag mit mehr als 30 Grad auch deutlich zu wenig“, nennt Kruse eine weitere Erfahrung. Und: Von 6.30 Uhr bis 15 Uhr ist höchste Aufmerksamkeit – vor allem auf den verkehrsreichen Straßen – angesagt. Denn häufig muss die Straße gequert werden und nicht alle Autofahrer passen ihre Geschwindigkeit an, wenn die Müllabfuhr arbeitet.

Pro Abfuhrtag sind acht bis zehn Fahrzeuge der SBM im Einsatz. Die „normalen“ Müllfahrzeuge sind mit einem Fahrer oder einer Fahrerin und zwei Männern, die die Tonnen oder Säcke einsammeln, bestückt. Dann gibt es noch die drei Seitenlader, die meist in Anliegerstraßen eingesetzt werden. Hier bedient der Fahrer allein die Technik. Er greift sich die Tonne vom Straßenrand und schüttet den Inhalt in den Wagen. „Vor allem in Urlaubszeiten gibt es Personalengpässe“, berichtet Horst Lehning. Dann werden auch schon mal Kollegen aus der Straßenreinigung oder dem Grünflächenbereich. Lücken füllen in den Semester- oder Sommerfreien aber auch Schüler und Studierende, die sich hier ganz gut etwas dazuverdienen können.

Warum musste es unbedingt die Gelbe-Sack-Tour sein? „Ich wollte bewusst die härteste Schicht machen“, so seine Antwort. Denn er weiß, dass viele Kollegen aus der Abfallwirtschaft sich über den schweren Job gerade in dieser Abfuhr äußern und manchmal auch ärgern. Wenn Papier, Bio- oder Restmüll gefahren wird, hilft die Technik beim Verladen. Gelbe Säcke werden manuell gegriffen und auf den Lkw geworfen – und es sind auch alle vier Wochen mehrere, manchmal sogar sehr viele pro Haus.

„Das wäre anders, wenn es die Wertstofftonne gäbe“, so Kruse. Anfang 2018 soll im Kreis Minden-Lübbecke erneut über die Einführung der Wertstofftonne ab 2019 diskutiert werden. Alle elf Kommunen des Kreises müssen zustimmen, weil es eine kreisweite Ausschreibung gibt. Und nicht nur die Kollegen der Abfallwirtschaft in Minden wünschen sich die „Gelbe Tonne“. Auch viele Bürger*innen ärgern sich schon lange über die dünnen und nicht besonders reißfesten Gelben Säcke, die es in Minden nur an wenigen Ausgabepunkten – unter anderem in der Bürgerhalle des Rathauses und am Wertstoffhof bei den SBM (Große Heide 50) – gibt, so Kruse abschließend.

Die neue Abfall-App der Städtischen Betriebe informiert ausführlich über die Abfallwirtschaft in Minden, unter anderem mit der Möglichkeit, Müllablagerungen online mit einem Foto versehen zu melden oder sich per Telefon an die anstehende Müllabfuhr erinnern zu lassen.

 

Bildquelle: © Städtische Betriebe Minden